So klingt die Orgel
14. Manuale und Pedal im Vergleich
Manuale und Pedal nacheinander
Nachdem wir bisher ausgiebig die einzelnen Register und die Registerkombinationen angehört haben, wird es langsam Zeit, die Klänge der vier Tastaturen einander gegenüberzustellen. Denken Sie bitte daran, dass alle Klangbeispiele nach wie vor auf der Orgel in der Stadtkirche aufgenommen wurden. Dieses Instrument hat bekanntlich vier Tastaturen bzw. vier Teilorgeln, nämlich das Hauptwerk das Rückpositiv, das Schwellwerk und das Pedal.
In den folgenden Beispielen hören Sie das Menuett in G-Dur aus dem "Klavierbüchlein für Anna Magdalena Bach". Es werden ausschliesslich Principal-Register (ohne Mixturen) eingesetzt.
Pedal
Principal 8'
Schwellwerk
Principal 8'
Rückpositiv
Suavial 8'  Principal 4'
Hauptwerk
Principal 8'   Oktav 4'
Oktav 2'
Menuett von Bach
Pedal - Schwellwerk - Rückpositiv - Hauptwerk
Ein weiteres Beispiel mit demselben Menuett. Das Hauptwerk ist kräftig auf 16'-Basis registriert. Das Schwellwerk hat einen vollen Zungenklang, und das Rückpositiv tönt silbrig hell dank den vielen hochklingenden Registern. Das Pedal hat einen runden, voluminösen Klang.
Hauptwerk
Principal 16'   Principal 8'
Hohlflöte 8'  Gambe 8'
Oktav 4'
Schwellwerk
Principal 8'   Rohrflöte 8'
Trompete 8'
Rückpositiv
Gedackt 8'   Principal 4'
Flageolet 2'
Larigot 1¹/₃'   Oktav 1'
Pedal
Principal 16'   Subbass 16'
Principal 8'
Koppeln - Manuale und Pedal miteinander
Nehmen wir an, eine Orgel habe zwei Manuale, zum Beispiel das Hauptwerk und das Schwellwerk, dazu kommt noch das Pedal. Und diese Orgel hat - sagen wir mal - 22 Register; 9 im Hauptwerk, 7 im Schwellwerk und 6 im Pedal. Es wäre doch schade, wenn ich diese Register nicht alle gleichzeitig einsetzen bzw. spielen könnten.

Im Gegenteil, es wäre doch sehr raffiniert, wenn ich auf dem Hauptwerk-Manual auch die Register vom Schwellwerk-Manual spielen könnte. Und es wäre schön und praktisch, ein zartes Zungenregister vom Schwellwerk als Solostimme mit den Füssen im Pedal und gleichzeitig mit den Händen Begleitstimmen auf dem Hauptwerk-Manual zu spielen. Und wie mächtig klänge die Orgel doch, wenn ich alle Register "ziehen" und einen vollen Tutti-Klang erzeugen könnte.

Nun, all diese schönen Dinge sind möglich dank der Manual- und Pedalkoppeln. Bei einer Koppel werden immer die Tasten des angekoppelten Manuals von den Tasten des Manuals, auf dem ich gerade spiele, mitgedrückt. Wenn ich also auf dem Hauptwerk spiele und die Koppel Schwellwerk an Hauptwerk eingeschaltet habe, werden die Tasten vom Schwellwerk quasi wie von Geisterhand auch bewegt.
Ich erinnere mich, wie ich als sechsjähriger Knirps mit meinem Vater ins Seminar Muristalden fuhr. Dort besuchten wir auch den grossen Saal, wo gerade ein "Semeler" auf der Orgel übte. Wir sahen ihm beim Spielen zu, und ich erschrak SEHR über die Tasten, die sich da "von selbst" bewegten und fragte: "Aetti, warum bewegen sich diese Tasten?" An meines Vaters Antwort erinnere ich mich allerdings nicht mehr...
Ein kleines Beispiel gefällig? Hier ist es: Im Hauptwerk registriere ich Principal 8'  Oktave 4'. Im Schwellwerk registriere ich Rohrflöte 8'  Hohlflöte 4'  Oktav 2'. Dann spiele ich zuerst auf dem Hauptwerk-Manual, dann auf dem Schwellwerk-Manual, dann schalte ich die Koppel "Schwellwerk an Hauptwerk" ein und spiele wieder auf dem Hauptwerk und kann so alle fünf eingeschalteten Register gleichzeitig spielen.
Hauptwerk
Principal 8'  Oktav 4'
Schwellwerk

Rohrfl. 8'  Hohfl. 4'  Oktav 2'
Schwellwerk + Hauptwerk
Principal 8'  Oktav 4'
Rohrfl. 8'  Hohfl. 4'  Oktav 2'
Wenn sich die Tasten von selbst bewegen, ist eine mechanische Koppel am Werk. Einen Nachteil hat die mechanische Koppel: Es braucht mehr Kraft, um eine Taste zu drücken, und je mehr Koppeln eingeschaltet sind, umso härter und unbequemer wird das Spiel. Deshalb gibt es auch pneumatische und elektrische Koppeln, und da fallen die "Geisterhände" und der zusätzliche Kraftaufwand natürlich weg.

Eine zweimanualige Orgel hat in der Regel folgende Koppeln:
SW an HWSW an PedalHW an Pedal


Die Orgel in der Stadtkirche Thun hat drei Manuale und folgende Koppeln:
SW an RPRP an HWSW an HWSW16' an HW
RP an PedalSW an PedalHW an PedalSW4' an Pedal
Schwellwerk
an Hauptwerk
Rückpositiv
an Hauptwerk
Schwellwerk an
Rückpositiv
Alle Manualkoppeln
Suboktav- und Superoktavkoppeln
Normalerweise wird bei einer Koppel die gleich hohe Taste mitgedrückt. Wenn ich also bei eingeschalterer Manualkoppel im Hauptwerk das c' spiele, dann wird auch im Schwellwerk das c' gespielt. Es gibt aber auch Koppeln, wo die Tasten des angekoppelten Manuals eine Oktave tiefer (Suboktav) oder eine Oktave höher (Superoktav) mitgezogen werden. Man schreibt dann SW16' - HW oder SW4' - HW.

Im nacholgenden Notenbeispiel sehen Sie das Nötige.
Im folgenden Klangbeispiel hören Sie zuerst das Hauptwerk, dann das Schwellwerk, und am Schluss das Hauptwerk mit der Koppel SW16' - HW.
Hauptwerk
Principal 8'  Oktav 4'
Schwellwerk
Principal 8'  Oboe 8'
Hauptwerk
SW16' an HW
Auf den nächsten zwei Seiten fängt der Spass erst richtig an. SIE KÖNNEN NÄMLICH SELBER ORGEL SPIELEN!