Zeitaufwand und Honorar für den Organisten
oder  Die unendliche Geschichte
Mai 2015
Organistinnen und Organisten sind "Workaholics"; ohne enormen Zeitaufwand kann der Job oft gar nicht erledigt werden. Das gilt häufig speziell für die sog. Amateur-Organisten, also Organisten ohne umfassende beruliche Ausbildung: Während der "Profi" aufgrund seines Studiums, seiner beruflichen Erfahrung und seiner während Jahren angehäuften Routine manchmal recht schnell etwas aus dem Ärmel schütteln kann, muss der weniger versierte "Amateur" sich oft im Schweisse seines Angesichtes auf die ihm gestellten Aufgaben und Aufträge einstellen und vorbereiten.

Die finanzielle Entschädigung eines Organisten für seinen Job oder - etwas feiner ausgedrückt - seine Dienstleistung fällt dann gegenüber dem zeitlichen Aufwand nicht selten ab und abber. Während die Kundschaft Honorarforderungen eines Fürsprecher, einer Notarin, eines Handwerkers oder einer Ärztin in der Regel ohne grosses Nachfragen befriedigt, sieht sich der Organist oft mit der Notwendigkeit konfrontiert, seine Honorarforderungen detailliert und manchmal auch etwas demütigend zu erklären. zu begründen und zu verteidigen. Dazu einige Müsterli:...

Vor 26 Jahren (sic) spielte ich anlässlich eines Trauergottesdienstes. Dafür erhielt ich von der Kirchgemeinde ein Honorar von ca. 90 Franken. Zudem spielte eine Flötistin in der Trauerfeier einige Stücke; dafür erhielt sie 300 Franken.

Heute erhalte ich für eine Kasualie (Trauung oder Abdankungsfeier) 200 Franken. "Meine" Solisten (Instrument, Gesang) erhalten für ihr Mitwirken im Gottesdienst 400 Franken (und halten das in der Regel für anständig).

Vor Jahren spielte ich an einem Trauergottesdienst im Krematorium Thun, zusammen mit einer Cellistin. Nach dem Gottesdienst kam der Sohn des Verstorbenen auf die Empore und überreichte uns je 300 Franken. Ja, er sei Kunstmaler und wisse schon, dass Musiker und andere Künstler für ihre Einsätze oft ziemlich schäbig entschädigt wüden.

Dieses Jahr wurde ich für eine Trauung in der Stadtkirche angefragt. Die Stückwahl schien exotisch - und damit aufwendig - zu werden; ausserdem war eine zu begleitende Sängerin vorgesehen. Nachdem ich erklärt hatte, zum Honorar von 200 Franken seitens der Kirchgemeinde hätte ich vom Traupaar gerne weitere 100 Franken für meinen zu erwartenden hohen Arbeitsaufwand (dabei wäre die Probe mit der Sängerin noch inbegriffen gewesen!), verzichtete besagtes Traupaar ohne Angabe von Gründen auf meine Dienste...

Letztes Jahr spielte ich an einer Trauung in Ringgenberg. Das Traupaar hatte einige (zum Glück nicht besonders exotische) Wünsche, und wir vereinbarten ein Honorar von 400 Franken. Als ich am Samstag die Kirche in Ringgenberg betrat, stellte ich fest, dass die Orgel eingepackt und in Revision war. Als Ersatz stand ein Positiv bereit. Ich reduzierte darauf meine Honorarforderung auf 300 Franken.

Die Thuner Organisten werden für ihre Einsätze im Krematorium und im Schoren vom Bestattungsamt entlöhnt. Mitte der 90-er Jahre spielte ich an einer Trauerfeier in der Johanneskirche. Ein geachteter Bürger war gestorben, dementsprechend wurde viel Musik dargeboten. Ich hatte Solostücke zu spielen sowie einen Chor und einen Trompeter zu begleiten; einen Tag vor der Abdankung meldete sich noch die Witwe mit einem speziellen Wunsch für das Ausgangsspiel.
Für meinen zeitlich enormen Einsatz überwies mir die Stadt Thun später den Betrag von etwa 105 Franken plus einige Rappen. Ich wurde so wütend über diese schäbige Honorar, dass ich den Zapfen auf den Rappen genau (ein Fünfräppler war auch darunter) in ein Couvert steckte und mit einem empörten Schreiben an die Stadt zurückschickte. Darauf schickte mir die Stadt Thun den vierfachen Betrag, also rund 420 Franken zurück und erklärte dabei, dies sei ein ein- und letztmaliges Entgegegnkommen ihrer mir gegenüber. In Zukunft hätte ich Forderungen für zusätzliche Aufwendungen irekt an die Trauerfamilie zu stellen.

Bei Abendmusiken und Orgelmatinées wird jeweils eine Kollekte erhoben. Dabei kommt es mitunter vor, dass eine einzelne Person 50 oder sogar 100 Franken einlegt. Häufiger ist jedoch der Fall, wo eine oder mehrere Personen ihr 5-, 10- und 20-Räpplerfach leeren.
Früher machte ich mir gelegentlich einen Spass daraus, diese ziemlich wertlosen Münzen im Eingang vor der Kirche oder auf dem Trottoir zu verteilen. Mittleweile bin ich jedoch wieder davon abgekommen, denn...
Wer den Rappen nicht ehrt, der denkt verkehrt!


Ich habe schon recht häufig die Kollekte einer Orgelmatinée - mit entsprechender Ansage vor dem Konzert - einem wohltätigen Zweck zugeführt. Dabei durfte ich mit Genugtuung immer eine beachtliche und respektable Spendenbereitschaft seitens der Zuhörerschar feststellen.


Bei dieser Gelegnheit dürfte es - vor allem für Organistinenn und Organisten - äusserst hilfreich sein, einmal den zeitlichen sowie finanziellen Aufwand für eine Trauung und für ein Chorkonzert genau auszurechnen.
Zeitaufwand des Organisten für eine Trauung mit einigen Sonderwünschen
Job
Konventionell
Sonderwünsche
Aufwendig
Telefonate, Spielplanung
Noten beschaffen und präparieren
Üben
Weg zur Trauungskirche und zurück
Üben / Proben in der Trauungskirche
Trauung
0.5
0.5
2
1
1
1
1
2
3
1
2
1
2
4
3
1
3
1
Total
6 Stunden
10 Stunden
14 Stunden
Multiplizieren Sie die obigen Stunden mit einem Stundenlohn nach Ihrem Gusto; vergessen Sie dabei nicht, Spesen wie Telefon, Papeterie und Reisen zum Gesamthonorar dazuzurechnen.
Zeitlicher und finanzieller des Organisten für zwei Chorkonzerte in zwei Kirchen
Besprechungen, Telefonate
Noten beschaffen und präparieren
Reisewege (3 Proben, 2 Konzerte)
Üben Orgel Solo
    "     Chorwerke
    "     Lieder
Üben und Einrichten auf der jeweiligen Orgel
Unvorhergesehenes (Kirche besetzt, Stromausfall)
Konzerte
-
-
5 x 2
-
-
-
2 x 3
-
2 x 2.5
  2
  3
10
  3
  3
  3
  6
  2
  5
Total
37 Stunden