Die lieben Kirchgemeinden und das liebe Geld
November/Dezember 2019
Seit ich pensioniert bin, spiele ich als Vertreter landauf und landab in allerlei Berner Kirchen. Und da bin ich natürlich als ein dem Mammon ergebener Rentner immer gespannt, was für ein Honorar ich für diese Vertretung erhalten werde. Denn der Synodalrat hat im Februar 2017 die "Empfehlung für die Anstellung und Besoldung von Organistinnen und Organisten" herausgegeben. Sie können diese Empfehlung hier Ihrem Computer einverleiben.

Leider ist die Empfehlung ziemlich unklar und vage: Auf Seite 6 steht nämlich, dass ich mit Qualifikation 5 für eine Vertretung Fr. 210 erhalten sollte. Wenn ich aber Seite 13 studiere, komme ich zum Schluss, dass man mir für eine Vertretung ohne Feiertagsentschädigung und ohne AHV-Abzug (da ich ja pensioniert bin) 261 Mäuse überweisen müsste ... sollte ... könnte ... dürfte.
Ich habe mir mal die Mühe gemacht, die Vertreter-Honorare, die ich dieses und letztes Jahr erhalten habe, unter die Lupe zu nehmen und das Ergebnis grafisch darzustellen. Mit Qualifikation 5 und angesichts meines fort-geschrittenen Alters dürfte ich eigentlich - gemäss den Besoldungsempfehlungen - den überaus ansehnlichen Batzen von Fr. 261 erwarten. Wobei noch die Frage ist, ob dieser Betrag wirklich so ansehnlich ist. DENN für eine seriöse Arbeit rechne ich...
Vorbereitung
Üben
Einspielen vor dem GD
Spiel im GD
1 h
3 h
1 h
1 h
Dazu kommen Reisespesen. Von der Reisezeit, die mir jeder Handwerker berechnet, sehe ich vornehm ab. Somit teile ich Fr. 261 durch 6 Stunden und erhalte als Ergebnis den überwältigenden Stundenlohn von Fr. 43.50.

Die untenstehende Grafik ist halt cheibe interessant und aufschlussreich. Wenn ich mir so anschaue, was ich dieses und letztes Jahr an sehr unterschiedlichen Vertreterhonoraren für die immer gleiche Dienstleistung erhalten habe, muss ich sagen: Es gibt Kirchgemeinden und Kirchgemeinden. Das Lustige an den Besoldungsempfehlungen des Synodalrates ist ja eben, dass sie niemanden zu nichts verpflichten (Man verzeihe die doppelte Negation). Die Kirchgemeinden sind höchstens gehalten, die Empfehlungen im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten zu befolgen. Einige tun dies, sogar recht üppig (Grosshöchstetten, Sigriswil, Steffisburg, Wichtrach). Andere tun dies nicht.

Was auffällt: Kürzlich sprang ich ich zweimal notfallmässig für einen erkrankten Kollegen ein, zuerst in Wichtrach, eine Woche später in Thurnen. Beide Male spielte ich vermutlich qualitativ gleich (un)befriedigend; was in der Folge finanziell herausschaute, sehen Sie unten.

Was auch auffällt: Die grosse und reiche Kirchgemeinde Thun zahlt für eine Abdankung noch weniger als die kleine Kirchgemeinde Erlenbach im Simmental.

Es ist anzunehmen, dass jede Kirchgemeinde ihr eigenes Organisten-Besoldungs-Szenario anwendet, das sich eben mehr oder weniger an die Empfehlungen des Synodalrates hält. Zudem weiss ich aus Erfahrung, dass (wieviele?) Kirchgemeinden bei Kasualien (also Trauungen und Abdankungen) einen einheitlichen Honorar-Durchschnitts-Tarif anwenden, der die Qualifikation - also die Ausbildungsstufe - von Organist und Organistin herzlich wenig bis gar nicht berücksichtigt.

War bisher die Rede von den Kirchgemeinden, dürfte es vielleicht ganz unterhaltsam sein, einmal die Organisten-Besoldungs-Taktik der Bestattungswesen (kann man "Wesen" überhaupt in die Mehrzahl setzen?) bzw. Krema-torien der Berner Städte kennenzulernen.