Die unendliche Geschichte von der Orgelstimmung
Juli 2021
1.  Die Orgel verstimmt sich
Die Kirchenorgel besteht zum grossen Teil aus den eher weich klingenden Labialpfeifen und zu einem weit kleineren Teil aus den metallisch klingenden Zungenpfeifen. Wird eine Orgel gebaut, dann werden am Schluss alle Pfeifen gestimmt. Wegen Temperaturschwankungen und Einflüssen des Klimas verstimmt sich die Orgel dann allmählich.

Allgemein gilt: Je kälter es in der Kirche ist, umso tiefer klingt die Orgel. Die Labialpfeifen haben dabei die Eigenschaft, dass sie sich ganzheitlich - je nach Temperatur - nach unten oder oben verstimmen; aber in sich bleibt die Stimmung relativ stabil. Die Zungenpfeifen jedoch verstimmen sich nicht so regelmässig: Einzelne Pfeifen bleiben stabil, andere verstimmen sich manchmal gewaltig. Einige gegen oben, andere gegen unten.

Aus diesem Grund ist bei den Zungenregistern eine regelmässige Stimmung aller Pfeifen notwendig. Bei den Labialregistern genügt oft eine Nachstimmung der am "schlimmsten" verstimmten Pfeifen (das sind in der Regel die kürzeren Pfeifen für die höheren Töne). Zungenpfeifen können (oder sollten) von der Organistin oder dem Organisten selber gestimmt werden; dazu braucht es lediglich ein Stimm-Messer (zur Not tut's auch ein langes Küchenmesser) und ein einigermassen passables Gehör. Labialpfeifen zu stimmen, ist schon schwieriger und heikler: Grosse Pfeifen haben oft eine Stimmrolle, die bei Bedarf nach unten oder oben bewegt werden kann. Bei den Gedackten kann der Deckel auf und ab geschoben werden. Für die Stimmung der kleineren Pfeifen benötigt man jedoch Stimmhörner in passender Grösse, um die Pfeifenöffnung oben etwas zu erweitern oder enger zu machen.

Und so kommt der Orgelbauer ein-, zwei- oder sogar dreimal pro Jahr (je nach Stimm- und Wartungsvertrag), stimmt die Zungenpfeifen und die "ärgsten" Labialpfeifen und erledigt bei Bedarf Reparaturen. Dann tönt die Orgel eine Zeitlang wieder ganz hübsch, bis die Stimmung allmählich wieder auseinanderfällt. Am schlimmsten tönen Orgeln oft gegen Ende des Winters zu, also in den Monaten Februar bis April. Und in diesem kalten Frühling 2021 tönen sie jetzt (Ende Mai) noch immer ziemlich gruselig, vor allem unter der Woche, wenn die Kirchen nicht oder kaum geheizt sind.
2.  Organistin und Organist stimmen "ihre" Orgel selber
Wie eingangs schon erwähnt, kann man die Orgel teilweise selber stimmen. Die Zungenpfeifen liegen immer am nächsten beim Stimmgang oder zuvorderst hinter den Prospektpfeifen und sind deshalb leicht zugänglich. Um einzelne Pfeifen zu stimmen, schaltet man zuerst ein gestimmtes Referenzregister (meistens Oktave 4' oder Principal 4') sowie das zu stimmende Register ein, fixiert dann die Taste mit einem Bleistift, einem Gewicht oder einem Keil und geht oder "klettert" anschliessend in die Orgel, um die verstimmte Pfeife zu stimmen.

Will man ein ganzes Zungenregister mit seinen 56 oder 30 Pfeifen stimmen, benötigt man einen Tastenhalter, also eine Person, die draussen am Spieltisch sitzt, sich zu Tode langweilt und bei jedem Ruf aus der Orgel die nächste Taste niederdrückt. Wenn eine einzelne Zungenpfeife klanglich "aus dem Ruder" läuft, also übermässig schnarrt oder in die untere Oktave abzusacken droht, ist unser Do-It-Yourself allerdings am Ende; da muss der Orgelbauer her!

Einzelne Labialpfeifen kann man zur Not selber stimmen, aber meistens sind es ja die hohen Töne mit den kleinen Pfeifen, die sich am stärksten verstimmen; und da bräuchte man schon die oben erwähnte Stimmhörner. Und dann sind diese kleinen Pfeifen oft nur schwer zugänglich und nicht so leicht zu lokalisieren. Bei Mixturen einzelne Pfeifen zu stimmen - da rate ich jeder und jedem ab.
3.  Die unstimmbare Orgel
Es ist nicht zu fassen! Trotz aller Stimmerei lässt sich keine Orgel "richtig" stimmen. Der ideale Fall - den es NICHT gibt - wäre so:
Meine Orgel erlaubt ein Spiel in allen Tonarten mit reinen Intervallen.
Das aber funktioniert leider nicht. Denn je reiner die Intervalle und damit die Halbtöne einer Orgel gestimmt werden, umso kleiner wird die Zahl der Tonarten, in denen überhaupt gespielt werden kann. Und je mehr Tonarten man auf seiner Orgel spielen möchte, umso "unreiner" müssen die Intervalle und damit die Halbtöne gestimmt werden. Deshalb müssen wir immer einen Kompromiss schliessen:
Entweder stimmen wir die Orgel ziemlich rein und beschränken uns auf wenige Tonarten oder wir erhöhen die Anzahl der spielbaren Tonarten und stimmen dafür die Orgel nicht so rein.
Aber warum ist das so? Sind die Orgelbauer etwa gar selber schuld und können nicht so recht stimmen? Was läuft da krumm?

Schuld an dieser Misere trägt natürlich nicht der Orgelbauer. Die (böse?) Natur höchstpersönlich schlägt uns da mit ihren Naturgesetzen ein tolles Schnippchen. Vielleicht finden wir eine Antwort auf unser Dilemma, wenn wir die Naturtonreihe näher unter die Lupe nehmen.
4.  Die Naturtonreihe
Bekanntlich besteht der Klang eines Instruments oder einer Orgelpfeife aus dem Grundton und zusätzlichen Obertönen. Oder noch einfacher: Er besteht aus einer Reihe verschieden starker Teiltöne oder Naturtöne. (Dabei ist der 1. Teilton der Grundton, weitere Teiltöne sind dann Obertöne). Der Abstand zwischen den Teiltönen ist erstaunlicherweise bei allen Musikinstrumenten und Orgelregistern immer gleich und wird "gegen oben" immer kleiner, bis hin zum Viertel- oder Achtelton oder noch kleiner. (Ausnahmen bilden Glocken und Percussions-instrumente). Übrigens: Geübte Musikerinnen und Musiker können auf Instrumenten mit Kessselmundstück (Trompete, Posaune, Horn, Tuba, Alphorn) erstaunlich viele Naturtöne hervorzaubern, ohne Einsatz von Ventilen, Posaunenzug oder Grifflöchern!

Die Reihe für die ersten 16 Teiltöne besteht für das grosse C aus folgenden Tönen:
5.  Intervalle
Die Nummern der Teiltöne geben gleichzeitig das Frequenzverhältnis eines Intervalls an.
Der 1. und 2. Teilton bilden eine Oktave mit dem Frequenzverhältnis 1:2.
Der 2. und 3. Teilton bilden die reine Quinte mit dem Frequenzverhältnis 2:3.
Der 4. und 5. Teilton gibt die grosse Terz mit dem Frequenzverhältnis 4:5.
usw.
6.  Tonhöhe, Frequenz und noch mehr
Was schwingt, das klingt! So einfach ist es. Eine regelmässige (periodische) Schwingung erzeugt einen Ton, die unregelmässige Schwingung erzeugt ein Geräusch. Schwingen kann alles mögliche: Die Stimmbänder im menschlichen Kehlkopf, die Saite einer Gitarre, die Metallzunge einer Orgelpfeife, das Rohrblatt einer Klarinette, die (unsichtbare) Luftsäule in einer Blockflöte, die Lippen des ins Kesselmundstück blasenden Trompeters, das Fell einer Trommel, die Platten einer Marimba, die Membran eines Lautsprechers...

Damit eine Schwingung fürs menschliche Ohr hörbar wird, muss ihre Schwingungszahl zwischen ca. 16 und 16'000 pro Sekunde liegen. Für die Schwingungszahl wird die Einheit Hertz (Hz) verwendet. Was unter 16 Hz liegt, wird als Infraschall bezeichnet. Über 16 kHz (1 Kilohertz = 1000 Hz) nennt man Ultraschall. Junge Menschen hören höher etwas, bis ca. 20 kHz. Fledermäuse orientieren sich mit hochfrequentem Ultraschall.

Da Töne und Geräusche durch Schwingungen erzeugt werden, spricht man bisweilen auch von Schallwellen. Damit diese sich ausbreiten können, braucht es ein stoffliches Medium; das kann die Luft in unserer Athmosphäre sein, oder das Wasser in einem Fluss oder im Meer.

Frequenz und Schwingung sind Synonyme. Frequenz tönt halt etwas gehobener. Bei der Tonhöhe handelt es sich um unser menschliches Hörempfinden. Dieses lässt sich ganz leicht beschreiben: Je höher die Frequenz, umso höher der Ton. Beim schwingenden Körper (Saite, Zunge, Luftsäule) ist es dagegen umgekehrt: Je länger (oder grösser) der schwingende Körper, umso kleiner die Frequenz. Oder für die Orgel ganz einfach zusammengefasst:
Lange Pfeifen erzeugen tiefe Töne   -   kurze Pfeifen erzeugen hohe Töne.
Das Cent ist eine Maßeinheit, mit der ein sehr genauer Vergleich der Größen musikalischer Intervalle möglich ist. 100 Cent = 1 gleichstufiger Halbton. Damit kann man kleine Frequenzunterschiede sehr genau definieren, was für die Orgelstimmung äusserst hilfreich ist. Und da eine Oktave aus 12 Halbtönen besteht, gibt es die einfache Formel 1200 Cent = 1 Oktave.

7.  Der Hansli
Es gab mal so einen 16- oder 17-jährigen Buben. Der hiess Hansli und war gwundrig über alle Massen. Er spielte mit Hingabe Klavier und Orgel und war von allem Tönenendem ungemein fasziniert. Eine kleine Ahnung von Akustik hatte er auch; lustigerweise kannte er die Teiltonreihe vom 1. bis zum 16. Teilton, und er wusste auch, dass man die Teiltonnummern zur Bestimmung der Frequenzverhältnisse heranziehen kann.

Seine Orgellehrerin (oder war es die Klavierlehrerin?) hatte ihm einiges über die Intervalle beigebracht. Es gäbe zwei Arten von Intervallen - sagte sie - einerseits die reinen Intervalle (Prim, Quarte, Quinte, Oktave) und andererseits die grossen bzw. kleinen Intervalle (Sekunde, Terz, Sexte, Septime). Hansli wusste, dass man Intervalle "addieren" kann: Eine Quinte und eine Quarte gibt eine Oktave, eine Terz und eine Sekunde gibt eine Quarte, eine Quarte und eine Terz gibt eine Sexte usw.
Allerdings hatte er nur rudimentäre Kenntnisse in Mathematik; immerhin beherrschte er die 4 Grundrechenarten, er kannte den Dreisatz und den Unterschied zwischen Dezimal- und gemeinen Brüchen; er wusste, wie man etwas in Prozent umrechnet, und "hoch 2" oder "hoch 5" sagte ihm etwas.

Also war es. Dieser Hansli sagte sich eines Tages: "Die sind noch ganz gäbig, diese Intervall-Proportionen. Da kann ich ja alles mögliche ausrechnen. Ich kann von einem Ton X aus direkt zu einem anderen Ton Y gelangen und dabei die Proportionen anwenden, die mir die Teiltonreihe zeigt. Also vom C zum E, das wäre 4:5, oder vom C zum eine Oktave höheren C, das wäre 1:2. Ich könnte aber das Intervall zwischen Ton X und Ton Y auch in kleinere Intervalle aufteilen. So käme ich indirekt zum gleichen Ton Y."

8.  Hansli denkt nach, rechnet und freut sich
Dann legte Hansli die Stirn in Falten und dachte angestrengt nach. Es gab ja sooo viele Möglichkeiten. Schliesslich tippte sich Hansli an die Stirn und sprach zu sich: "Wohlan! Ich nehme zuerst die Quinte, die hat ja die Proportion 2:3. Dann teile ich die Quinte in eine grosse Terz 4:5 und eine kleine Terz 5:6 auf und schaue, was herauskommt. Eigentlich erwarte ich bei beiden Quinten - der direkten und der indirekten - dasselbe Resultat."
9.  Hansli rechnet wieder und wundert sich
"HURRA! Ich hab's doch gewusst!" schrie Hansli und freute sich diebisch, dass das Resultat tatsächlich seinen Erwartungen entsprach.  -  Dann meinte er zu sich: Ich nehme jetzt mal die Oktave und teile sie in eine grosse Sekunde, eine kleine Terz und eine Quinte auf."
Als Hansli das Ergebnis seiner Berechnungen sah, wunderte er sich über alles und sagte: "Wie kann das sein? Ich habe doch alles richtig gemacht und gerechnet. Trotzdem ist das "schräge" C etwas höher als das "normale" C. Das ist schon sehr komisch!" - Dann rechnete er noch den Unterschied aus (81:80 = 1.0125) und stellte fest, dass das schräge C 1.25% höher ist als das normale C.
10.  Hansli rechnet anders, aber wundert sich erneut
Da sagte Hansli: Ich teile die Oktave mal anders auf, nämlich in eine reine Quarte, eine kleine Terz und eine grosse Terz." Er kritzelte auf seinem Blatt hin und her und erhielt schliesslich folgendes Ergebnis:
"Ach du lieber Schwan, jetzt stimmt es wieder! Das schräge C ist gleich hoch wie das normale C. Aber warum hat es denn im vorderen Beispiel nicht gestimmt?"  -  Hansli schaute sehr laaaange auf seine Notizen. Und so langsam kristallisierte sich ein Verdacht in seinem Oberstübchen heraus.
11.  Die grosse und die kleine grosse Sekunde
Hansli nahm erst jetzt so richtig wahr, dass es ja zwei grosse Sekunden gibt. Man könnte auch sagen, es gibt einen kleinen Ganzton und einen grossen Ganzton. Hansli war unerhört neugierig und sagte sich: "Es gibt doch zwei grosse Sekunden, die eine hat das Frequenzverhältnis 8:9, und die andere hat 9:10. Wie gross wird da wohl der Unterschied sein?"
Und da erhielt Hansli wieder die mysteriöse Proportion 80:81 und dachte sich, jetzt werde es langsam kompliziert und esoterisch. Und schon hatte er eine neue Idee oder Frage...

12.  Ist das Fis gleich hoch wie das Ges?
"Es gibt ja so schräge Intervalle, die in der Teiltonreihe nicht vorkommen, zum Beispiel der Tritonus. Das ist ja ein Intervall mit einem Abstand von drei Ganztönen, das man entweder als verminderte Quinte oder übermässige Quarte schreiben kann. Wenn ich dieses Intervall aber auf der Orgel spiele, dann drücke ich zweimal dieselbe Taste, nämlich Fis bzw. Ges. Also: Beim Spielen gibt's mir zweimal dasselbe, aber beim Schreiben muss ich einen Unterschied zwischen Fis und Ges machen. - Diese beiden Intervalle erreiche ich wahrscheinlich nur über einen Zwischenton." Und so tat er.
Und da stellte Hansli zu seinem nicht geringen Erstaunen fest, dass die verminderte Quinte etwas grösser als die übermässige Quarte ist. Oder ganz einfach gesagt: Fis ist tiefer als Ges! Dann dividierte er noch den Wert von Ges durch den Wert von Fis - also 1.44 : 1.406 und erhielt als Wert 1.02418.... Der Unterschied beträgt also 2.418...%.

Die Dezimalbrüche waren nicht so nach Hanslis Geschmack; er bevorzugte gemeine Brüche mit ganz normalen Zahlen im Zähler und im Nenner. Deshalb rechnete er wieder. Um seine Berechnungen abzusichern, dividierte Hansli noch 1152 durch 1125 und erhielt als Ergebnis 102.4, das heisst, der Unterschied beträgt 2.4 %.
Dann ging Hansli in die Küche, kochte sich einen stärkenden Kaffee und rauchte eine Zigarette.

13.  Das syntonische Komma
Wie Hansli da so auf dem Balkon sass und rauchte, kam ihm eine Idee. Er dachte: "Ich kann vom C zwei Oktaven und dann noch eine grosse Terz aufs E gehen; dafür brauche ich ja die Proportionen 2:1 und 5:4. Ich könnte aber auch folgenden Umweg machen: C - G - D - A - E. Also viermal eine reine Quinte (mit der Proportion 3:2) raufgehen; so komme ich ja auf dasselbe E."

Dann drückte er die Zigarette aus, ging in sein Zimmer und rechnete.
Auch hier rechnete er noch etwas um und erhielt so ganze Zahlen respektive zwei gemeine Brüche mit gleichem Nenner:
Hansli sagte sich: "Jetzt habe ich zwei Frequenzen. F1  ist die Frequenz vom "normalen" (direkt erreichten) E, und F2  ist die Frequenz vom "schrägen" (über die Quinten erreichten) E." Dann dividierte er 81:80 und erhielt als Ergebnis 1.0125. Da murmelte Hansli: "Aha! Das schräge E ist also 1.25% höher als das normale E."
14.  Hanslis Verwirrung
Hansli wurde langsam verwirrt und gehässig. Er sagte sich: "Das ischt doch ein cheiben Gschtürm, und ich schnall es überhaupt nicht mehr. Ich hab doch immer gemeint (und es auch so gelernt), ein E sei einfach ein E oder ein Fis sei dasselbe wie ein Ges. Wenn ich jetzt - wovor Gott mich behüten möge! - meine Orgel stimmen sollte, wie müsste ich die dann stimmen, wenn es doch soviele Cs und Ds und Es und Fis und Ges und As und Qus und Xs und Ys gibt. HILFE!!!"

Er klagte sein Leid seiner Orgellehrerin, und diese erklärte ihm, es sei tatsächlich unmöglich, ein Tasten-instrument FÜR ALLE befriedigend zu stimmen. Ein guter Geiger oder eine gute Oboistin würden tatsächlich Fis und Ges nicht gleich hoch, sondern passend hoch spielen. Aber bei der Orgelstimmung müsse man halt immer irgendwelche Kompromisse eingehen. Und die magische Zahl 81:80 nenne man Syntonisches Komma.
15.  Hansli rechnet und rechnet und...
Später sagte sich Hansli: "Ich teile die Oktave mal in drei grosse Terzen auf und schaue, was dabei herauskommt. Das ist doch legitim, denn wenn ich auf dem Klavier eine Terz über das C gehe, komme ich zum E. Eine Terz weiter oben ist das Gis, und wenn ich noch mal eine Terz raufsause, bin ich wieder beim C. Und in dieser Aufteilung gibt es zum Glück keine grosse Sekunden, die das Ergebnis esoterisieren könnten. Köpfchen muss man haben!"
Aber da erhielt er wieder so eine komische Proportion, nämlich 123 : 128; das gibt einen Unterschied von 4.065%. Und wie er da so auf seine Noten starrte, bemerkte er seinen Fehler: Eine Terz über dem Gis ist nicht etwa C, sondern His. "Das hätte ich eigentlich von Anfang an beachten sollen, denn mittlerweile weiss ich, dass Fis und Ges nicht gleich hoch sind. Und das Intervall Gis - C ist eh nicht eine grosse Terz, sondern eine verminderte Quarte." Und so schrieb er seine Noten um; aber das änderte am Egebnis natürlich keine Bohne.
16.  Hansli teilt die Oktave in Sekunden auf
Tja, so ging das hin und her, und Hansli hatte Ideen und rechnete wie verrückt. Zum Beispiel dachte er: "Ich könnte die Oktave ja mal in Ganztonschritten, also in grossen Sekunden durchschreiten. Ich nehme dazu zunächst die "grössere" grosse Sekunde (8:9), später die "kleinere" grosse Sekunde (9:10)". Die gemeinen Brüche lasse ich jetzt mal weg. Dafür nehme ich für den untersten Ton C den Wert von 130 Hz und rechne die Frequenzen der anderen Töne aus."
"Das musste ja ein komisches Ergebnis geben" dachte Hansli. Denn das "schräge" C ist in Wirklichkeit ein His! Und dann rechnete er noch das "schräge" C durch das "normale" C (also 531'441 : 262'144) und erhielt als Ergebnis 1.01364.... Das schräge C war also ca. 1.36% höher als das normale C.

17.  Hansli und der Quintenzirkel
Es gibt so eine schöne Akkordfolge: Man spielt eine Kadenz in C-Dur, moduliert dann eine Quinte hinauf nach G-Dur und spielt dieselbe Kadenz in dieser Tonart. Dann geht es weiter, wieder eine Quinte hinauf nach D-Dur, nach A-Dur und so fort, bis man am Schluss wieder in C-Dur landet - zumindest auf der Orgel.
Hansli dachte: "Wenn ich so weiterfahre, lande ich in C-Dur. Aber der Akustiker nimmt es genauer und landet in His-Dur." Und dann zeichnete er einen schönen Quintenzirkel.
Und dann schrieb er noch die dazugehörigen Noten auf.
18.  Das pythagoräische Komma
Hansli schaute sein Elaborat an. Wie weiter oben erwähnt, war ihm "hoch 4" oder "hoch 7" bekannt. Er sagte sich: Ich habe beim ganz tiefen C angefangen und bin von dort 12 reine Quinten raufgegangen; das macht 3 über 2 hoch 12 oder (3/2)¹². So kam ich auf ein sehr hohes His. Ich könnte aber auch beim ganz tiefen C anfangen und dann 7 Oktaven raufgehen; das macht 2 hoch 7 oder 2⁷. So komme ich auf ein ganz hohes C.

Wenn ich nun das ganz hohe His in unmittelbare Nähe zum ganz tiefen C bringen will, muss ich von diesem His sieben Oktaven runtergehen; das gibt eine Division durch 2⁷.


Und so erhielt er eine wunderschöne Formel:
Er erzählte das dann später seiner Orgellehrerin. Diese rühmte ihn ob seines Fleisses und seiner scharfsinnigen Berechnung. Sie klopfte ihm auf den Rücken und tätschelte seine Schulter und sagte, was er da entdeckt habe, nenne man neumodisch pythagoreisches Komma und altmodisch pythagoräisches Komma.
19.  Diesis
Hansli wurde langsam müde. Und trotzdem sagte er sich: "Ich habe vor Tagen mal ausgerechnet, wie das wäre, wenn man die Oktave in 3 grosse Terzen aufteilen täte. Also - genau genommen komme ich so nur auf dem Klavier oder der Orgel vom C aufs eine Oktave höhere C. In Wirklichkeit lande ich ja auf dem His. Und das ischt mi Tüüri ein kleines bisschen tiefer als das C.

Ich rechne jetzt noch aus, welches Ergebnis ich erhalte, wenn ich 4 kleine Terzen raufgehe. Dann komme ich auf der Orgel auch wieder aufs C. Aber in Wirklichkeit lande ich auf dem doppel vertieften D, also auf dem Deses. Haha, tönt das lustig!"
  Und dann schrieb er ganz viele Noten und Zahlen auf.
"Eigentlich müsste ich jetzt noch die beiden Brüche - den von der übermässigen Septime und den von der verminderten None gleichnamig machen. Erst dann kann ich die Ergebnisse miteinander vergleichen." Und so kam er in den unübersichtlichen Bereich fünfstelliger Zahlen.
Mit diesen Berechnungen ging er später wieder bei seiner Orgellehrerin hausieren. Diese erklärte ihm: "C - His ist eine übermässige Septime, und C - Deses ist eine verminderte None."

Und dann fuhr sie fort: " Der Unterschied zwischen übermässiger Septime und reiner Oktave wird kleine Diesis genannt. Und der Unterschied zwischen verminderter None und Oktave heisst grosse Diesis."
20.  Alle Intervalle mit Noten und Proportionen
Hansli brummte in seinen Bart (den er noch gar nicht hatte): "Ich will jetzt einmal die Frequenzverhätlnisse von allen - oder wenigstens von sehr vielen Intervallen ausrechnen, und die dann in Prozent und Cent umrechnen."

Er hatte bisher so viel ausgerechnet und so viele "Unstimmigkeiten" in den Intervallen (und damit in der Teiltonreihe) festgestellt, dass er sich sagte: "Also, jetzt muss ich das Zeugs mal ins Reine schreibe, sonst habe ich am Schluss ein unheimliches Gnusch im Fadenkörbli. Auf den ersten Blatt schreibe ich jetzt (fast) alle Intervalle mit dem jeweiligen Frequenzverhältnis auf."

"Da muss ich noch einiges nachrechnen. Für den unteren Ton von jedem Intervall nehme ich C und gebe ihm einen Wert von 1." Und dann rechnete er und schrieb in Schönschrift, was das Zeugs hielt.
21.  Prozente von Intervallen ausrechnen
"Ein Bild sagt mehr als tausend Worte! Drum mache ich jetzt eine grafische Darstellung der Intervalle."  -  Und weil er mathematisch nicht so auf der Höhe war, besprach er mit sich selbst lautstark, wie er denn vorgehen müsste und würde.

"So. Ich nehme als Beispiel die Quinte 2:3 am Beispiel von C-G. Das G ist also 3/2 mal so hoch wie das C. Wenn ich jetzt für C den Wert von 0% annehme, dann bekommt G einen Wert von 50%. - Bei der Oktave mit ihrem Frequenzverhältnis von 1:2 hätte das obere C einen Wert von 100% gegenüber dem unteren C mit 0%, und so weiter; ist ja alles sonnenklar!"

Und dann schrieb er sich noch einen "Spicker", damit er immer nachschauen könne, wie er denn rechnen sollte. Er schmunzelte vor sich hin und sagte auf schweizerdeutsch: "I bi eifach scho guet u ne Sibesiäch!"
22.  Alle Intervalle in Prozent
"Und jetzt nehme ich meine neuesten Farbstifte, um eine schöne und farbenfrohe Grafik zu basteln. Für die reinen Intervalle nehme ich blau, für die klein-grossen Intervalle nehme ich gelb. Die "normalen" Intervalle färbe ich etwas dunkler als die verminderten und übermässigen Intervalle."
23.  Cent von Intervallen ausrechnen
Und Hansli sprach alsobald: "Wenn ich jetzt ein Intervall in Cent umrechnen möchte, wie muss ich da vorgehen? Denn ich habe ein Problem: 100 Cent wird zwar definiert als Halbton, aber eben, als gleichstufiger Halbton. Bei "meinen" Intervallen handelt es sich aber nicht um gleichstufig temperierte, sondern um reine Intervalle."

"Halt, Halt! Es gibt wenigstens ein Intervall, welches sowohl bei gleichstufiger wie bei reiner Stimmung gleich ist, das ist die Oktave. Man sagt ja: 1200 Cent = 1 Oktave. - Aber wie ist jetzt das? Für die Oktave gilt das Frequenz-verhältnis 1:2. Wenn ich also einen Ton mehrmals oktaviere, erhalte ich für die Frequenzen vom C (in Hertz) die Zahlenreihe 16 - 32 - 64 - 128 - 256 - 512 - 1024 usw.

"Aber in Cent ist die Zahlenreihe ganz anders, nämlich 0 - 1200 - 2400 - 3600 - 4800 - 6000 - 7200 usw. Ich mach' mir doch schnell eine hübsche Skizze." Und so tat er.
Lange schaute er auf seine Skizze. Dann sagte er: "Ich muss die Werte für Hertz und Cent anders formulieren. Vielleicht dämmert mir dann irgendwas."
24.  Hansli und der Lehrer
"Schtärneföifi, ist das komisch!" sgte Hansli. "Bei den Hertz muss ich multiplizieren, aber bei den Cent tue ich addieren."  -  Und dann sann er darüber nach, und irgendwie meinte er, einer seiner Kollegen - ein Gymnasiast - hätte ihm vor einiger Zeit etwas vom Rechenschieber erzählt. Damit könne man scheint's multiplizieren, indem man Zahlen addiere, und das Zauberwort heisse Logarithmus.

Hansli ging dann in der nächsten Mathestunde zu seinem Lehrer und sage: "Ich interessiere mich in letzter Zeit sehr für Akustik und Musik, besonders für die Intervalle und für die Stimmung von Tastensintrumenten. Ich möchte so gerne eine Intervall-Tabelle machen, wo alles drinsteht. Die Tabelle ist jetzt fast fertig; die Namen der Intervalle stehen drin, ihre Abstände - also ihre Frequenzverhältnisse - als gemeine Brüche und auch als Dezimalbrüche. Jetzt möchte ich noch gerne die Abstände in Cent ausrechnen und in die Tabelle schreiben. Aber ich weiss beim Donnerli nicht, wie das geht. Das ist so kompliziert! Ein Kollege sagte mir etwas von Logarithmen; aber da komm ich nicht klar mit."

Der Lehrer sagte - mild und weich: "Lieber Hans, das ham wer gleich." Und da er (der Lehrer) etwas von Musik und Akustik verstand, psalmodierte er weiter: "Die Grösse eines Intervalls kann man entweder absolut in Hertz oder relativ in Cent messen.

Wenn mehrere Intervalle aufeinanderfolgen...
...werden sie für den Musiker addiert.
...werden ihre Frequenzverhältnisse multipliziert.
...werden ihre Grössen in Cent addiert.
Machen wir ein Beispiel:
Eine Quinte plus eine Quarte ergeben eine Oktave.
Die Proportionen 3:2 und 4:3 werden multipliziert, macht 12:6 und gekürzt 2:1.
Die Quinte hat 700 Cent, und die Quarte hat 500 Cent; macht zusammen 1200 Cent.
Bis jetzt ist dir doch alles klar, nicht wahr?"
Hansli nickte eifrig, und der Lehrer fuhr fort: "Um ein Intervall in Cent umzurechnen, braucht man tatsächlich die Logarithmen. Ich schreibe dir mal die Formel an die Wandtafel:"

"Das ist ja eine schöne Formel" sagte Hansli. "Aber ich habe keine Ahnung von Logarithmen. Wie berechnet man denn die?"

Da meinte der der Lehrer: "Das ist tatsächlich ziemlich kompliziert. Denn Logarithmen kann man eigentlich nur im Näherungsverfahren ausrechnen. Aber dafür gibt es ja Logarithmentafeln in Form ziemlich dicker Bücher. Die sind seit Jahrhunderten in Gebrauch. Ich habe noch so einen uralten Wälzer. Möchtest Du mal reinschauen?"

Das wollte Hansli natürlich, und so stieg halt der Lehrer seufzend die vielen Treppen hinauf und holte aus dem Estrich ein ziemlich verstaubtes Buch mit vielen Seiten voller Zahlen, von denen rechts ein kleiner Ausschnitt zu sehen ist.

Dann ging er wieder ins Klassenzimmer und zeigte Hansli sein Buch und meinte: "Mit Hilfe dieser Tabellen könntest du tatsächlich deine Intervalle in Cent umrechnen. Aber, wenn du willst, mach' ich das für dich. Denn ich habe seit kurzem so einen neuartigen Taschenrechner von HP. Der hat ganz viele wissen-schaftliche Funktionen. Der rechnet mir die Cent im Hui aus. Eine Wundermaschine, sag ich dir!"


Dieses Angebot nahm Hansli gerne an. Er überreichte dem Lehrer seine Intervall-Liste, und der Lehrer ging damit nach Hause. Er nahm für seine Berechnungen die gemeinen Brüche, also nicht die Dezimalbrüche. denn er dachte sich: "Mein Taschenrechner rechnet auf viele Kommastellen aus; da wird es etwas genauer, wenn ich die Abstände in Cent unter Anwendung der gemeinen Brüche ausrechne." Und um ganz sicher zu sein, machte er eine Probe aufs Exempel mit einem ziemlich "schrägen" Intervall. Allerdings schien ihm der Unterschied bei den Nachkommastellen ziemlich klein zu sein.

Item. Einige Tage später überreichte er dem Hansli die ausgefüllte Liste Liste und sagte: "So, jetzt kannst du deine Tabelle endlich fertigmachen!"  -  Hansli bedankte sich ganz artig und versprach dem Lehrer, er würde ihm mindestens VIER Mal den Rasen mähen und er würde während dem Unterricht überhaupt nie mehr Papierkügelchen werfen. Und so geschah es.

*   *   *   *   *
Eine Woche später wandte sich der Lehrer nach der Mathestunde an Hansli und sagte: "Vielleicht möchtest du auch mal die Cent in ein Frequenzverhältnis umwandeln. Die Formel für diese Berechnung findest du auf diesem Zettel."

Und er gab ihm den Zettel freudestrahlend, denn er (der Lehrer) hatte mittlerweile selber - für ihn ganz ungewohnt - viel Spass und Neugier bei all dem akustischen Zeugs verspürt.


25.  Hansli und seine Liste
Hansli ging überglücklich nach Hause. Er war jetzt also in der Lage, seine Tabelle zu vervollständigen, und er zeichnete, malte und schrieb auf schönstem Büttenpapier eine wunderschöne Tabelle.
26.  Im Zickzack durch den Quintenzirkel
Hansli studierte seine Zauberliste und sagte sich: "Ich mache es jetzt noch wie die Musiker am Schluss eines Konzerts. Ich gebe eine Zugabe. In der Zugabe gehe ich nicht vom C 12 Quinten aufwärts und dann noch 7 Oktaven abwärts, sondern ich gehe eine Quinte rauf, eine Quarte runter, eine Quinte rauf, eine Quarte runter usw. Dann lande ich schliesslich auch beim His, aber das ist - Hallelujah - nur eine Oktave höher als das C am Anfang. - Und er nahm eine neues Blapier (= Blatt Papier) und begann zu kritzeln.
Und Hansli sah, dass es gut war und dass er wie erwartet wieder das pythagoräische Komma erhalten hatte.
27.  Hansli fasst zusammen
Hansli hatte ja bisher allerlei Merkwürdigkeiten bei den Intervallen entdeckt. Und zuguterletzt sagte er sich: "Ich könnte ja meinen Lehrer fragen, ob er mir wohl mal seinen-HP-Taschenrechner ausleihen würde. Dann könnte ich selber diese Merkwürdigkeiten in Cent ausrechnen und hätte irgendwie ein bisschen mehr Ahnung von dem allem."  Also ging er zum Lehrer, und der gab ihm - etwas widerstrebend - seinen Taschenrechner; sagte aber dabei: "Gäll, Hansli, hesch mer de Sorg u lasch ne nid uf e Bode la gheie!"  Hansli versprach ihm das Blaue vom Himmel herunter und ging freudestrahlend heim.

Dann machte er sich sofort an die Arbeit und schrieb einmal mehr alles gaaanz schön nieder.
Und weil Hansli trotz seiner Jugend gerne methodisch vorging, schrieb er alles noch in eine kleine Tabelle.
Hansli sah sich seine Liste an und dachte: "Der Halbton hat 100 Cent; folglich entsprechen 25 Cent einem Viertel eines Halbtons oder einem Achtelton. - Es ist schon merkwürdig und beinahe esoterisch. Da habe ich sechs Werte in Cent, und zweimal zwei Werte sind gleich!"
*   *   *   *   *
Dann ging Hansli mit seinen Eltern für zwei Wochen in die Toscana, machte ausgiebig Ferien, stopfte sich mit Pizza, Spaghetti und Lemonsoda voll und vergass einstweilen das Ganze.
*   *   *   *   *
Aber wie er wieder braungebrannt nach Hause kam, erinnerte er sich an all die Berechnungen, die er und auch der Lehrer - gemacht hatten. Eines war ihm jetzt klar: Eine für alle und alles geeignete Stimmung gibt es nicht. Man muss Kompromisse schliessen. Er sprach bei seiner Orgellehrerin und auch beim Schullehrer vor. Und da diese sein echtes Interesse und seine Wissbegier schätzten, gaben sie ihm an Tipps und Informationen, was sie nur so hatten. Schliesslich erhielt Hansli zu Weihnachten ein dickes Buch als Geschenk, worin er sich detailliert und erschöpfend über die Stimmung von Tasteninstrumenten informieren konnte.

28.  Reine und gleichstufig temperierte Intervalle
Hansli wusste jetzt, dass ein Tasteninstrument grundätzlich nicht rein gestimmt werden kann. Immer muss irgendwie getrickst und gemauschelt werden, damit ein Spiel in mehr als einer Tonart möglich ist. Hansli wusste auch, dass heutzutage die Klaviere und Flügel, die Keyboards und Synthesizers und auch eine grosse Zahl von Orgeln gleichstufig temperiert gestimmt werden. Im Klartext heisst dies, dass alle Intervalle (oder Töne) minim bis minimst verstimmt werden, um ein Spiel in allen Tonarten zu ernöglichen.

Es war ihm mittlerweile aber auch klar, dass für ältere Musik - speziell aus Renaissance und Barock - eine "ältere" Stimmung mit teilweise reineren Intervallen unbedingt nötig ist. Wer wird schon "L'Aria di Monicha" von Altmeister Frescobaldi auf einem gleichstufig gestimmten Cembalo spielen? Das klänge ja richtiggehend falsch - im wahrsten Sinne des Wortes!

Drum sagte er sich: "Als Allerletztes will ich jetzt noch eine Liste mit reinen und gleichstufigen Intervallen anfertigen. Und ich wiederhole noch einmal für mich: Der gleichstufige Halbton hat einen Abstand von 100 Cent; folglich hat die Oktave 1200 Cent"
Und weil er so gerne malte und zeichnete, bastelte er noch eine schöne Grafik
29. Kombinationstöne - Schwebungen
Im Buch, das Hansli zu Weihnachten geschenkt erhalten hatte, stand noch etwas ganz Besonderes: Das menschliche Ohr nämlich hat die wundersame Fähigkeit, Töne zu hören, die gar nicht existieren! Orgelbauer und Organisten nennen diese Töne Kombinationstöne, bei den gebildeten Damen und Herren von Wikipedia heissen diese Dinger Residualtöne. Und die entstehen so:

Wenn zwei Töne mit den Frequenzen f₁ und f₂ erklingen, bildet sich im menschlichen Ohr ein weiterer Ton mit der Frequenz f₂ - f₁. Wenn beispielsweise zwei Töne mit den Frequenzen 60 Hz und 90 Hz erklingen, bildet sich im menschlichen Ohr ein weiterer Ton mit der Frequenz 90 - 60 Hz, also 30 Hz. Die zwei "Obertöne" erzeugen also im menschlichen Ohr einen weiteren Ton, den "Grundton".

Wenn die beiden Frequenzen nur einige Hertz auseinanderliegen, hört das menschliche Ton nicht einen Kombinationston. sondern eine Schwebung.

Dies wird im Orgelbau weidlich ausgenützt:
Akustischer 32-Fuss: Wenn der Subbass 16' mit zusammen mit der Quinte 10 2/3' ertönt, bildet sich im Ohr zusätzlich der Kombinationston 32'. In vielen Orgeln befindet sich ein "halbakustischer" Untersatz 32': Die 12 tiefsten Halbtöne (C-H) werden als Kombinationstöne vom Subbass 16' und von einer (gedeckten) Quinte 10 2/3' erzeugt. Für den 13. bis 30. Halbton (c-f') erklingt dann der eine Oktave tiefer angesteuerte Subbass 16'.
Somit hat man also 12 "akustische" und 18 "richtige" 32-Fuss-Töne. Das hat den grossen Vorteil, dass man viel Platz, Material und damit Geld sparen kann, denn man benötigt nur 12 zusätzliche Pfeifen. Alles andere "erledigt" der Subbass 16'.

In den zwei folgenden Klangbeispielen wurde die Quinte 10 2/3' mit dem Principal 16' vom Hauptwerk "simuliert", gemäss dem Notenbild:
Pedal: 16' 8' 4'
Pedal: 16' 8' 4'
+ Quinte 10 2/3'
Schwebung: Wenn die beiden Frequenzen f₂ und f₁ nur einige Hertz auseinanderliegen, entsteht als Kombination nicht ein "Ton", sondern eine "Schwebung". Hören Sie sich die drei Klangbeispiele an. Das Salicional 8' ist normal hoch gestimmt. Die Voix céleste 8' ist einige Hertz höher gestimmt. Beim dritten Klangbeispiel hören Sie beide Register zusammen.
Salicional 8'
Voix céleste 8'
Beide Register
Stimmen: Wenn ein Intervall rein gestimmt wird - zum Beispiel C - G, also eine reine Quinte mit dem Frequenzverhältnis von 2:3 und Frequenzen von beispielsweise 200 Hz und 300 Hz, dann hört das menschliche Ohr drei Töne, denn es kommt noch der Kombinationston von 100 Hz (wenn auch leise) dazu. Der Klang dieses rein gestimmten Intervalls ist still, ruhig, leblos.

Wenn das Intervall etwas "unrein" gestimmt wird, entsteht auch ein "unreiner" Kombinationston. Zusätzlich entsteht auch eine Schwebung; deren Frequenz hängt davon ab, wie "unrein" das Intervall gestimmt wurde.
Aliquoten: Aliquoten sind labiale Orgelregister, die nicht in einer Oktave also (16' - 8' - 4' - 2') gestimmt sind, sondern in Quinten oder Terzen (2²/₃' - 1³/₅' - 1¹/₃'). Diese Register werden immer rein gestimmt. Die Orgel aber ist mehr oder weniger gleichstufig temperiert gestimmt; deshalb hört man eine unfreiwillige Schwebung, wenn die rein gestimmte Terz 1³/₅' mit einer in passender Höhe gespielten Flöte 2' kombiniert wird. Der Ton vom 1³/₅' ist dabei immer etwas tiefer als der temperiert gestimmte 2'.

In den zwei folgenden Klangbeispielen wird die Terz 1 3/5' (rein gestimmt) vom Schwellwerk dem Nachthorn 4' (temperiert gestimmt) vom Hauptwerk gegenübergesteltt.
Terz und Nachthorn
nacheinander
Terz und Nachthorn
miteinander
30.  Erlebnisse und Erinnerungen
Wir verlassen jetzt Hansli und wenden uns der Gegenwart zu. Ich - der Verfasser dieses eher amateurhaften Beitrags - möchte es nicht unterlassen, der kritischen Leserin und dem geneigten Leser aufzuzählen. was mir punkto Obertöne und Stimmung in den letzten Jahrzehnten aufgefallen ist:
Der Ferritstab
Als ich in die Sekundarschule und ans Gymnasium ging, bastelte ich viele elktronische Schaltungen. U.a. auch LW-, MW- und KW-Radios. Dazu stellte ich Spulen her und stülpte sie über einen Ferritstab, der als Antenne wirkte. Dann ging ich gelegentlich in ein Radiogeschäft und kaufte für 5 Franken einen alten Röhren-Radio, den ich anschliessend ausschlachtete. Den Lautsprecher nahm ich auseinander und erhielt so eine dicke Spule mit vielen Windungen.

Eines Tages bastelte ich einen Tongenerator und schickte dessen Signal durch eine solche Lautsprecherspule, die parallel mit einem Kondesator verbunden war. Dann bewegte ich einen Ferritstab in der Spulenöffnung hin und her. Dadurch wurden die Teiltöne des Tonsignals vom Tongenerator wunderbar verstärkt, und ich hörte alle Töne bis ungefähr zum 16. Teilton.
Stimmung der Dr. Böhm-Orgel
In jungen Jahren kaufte ich mir einen Bausatz für eine Dr. Böhm-Orgel DnT. 2 Manuale à 61 Tasten und ein Kirchenorgel-Pedal à 30 Tasten. Monatelang bastelte und lötete ich am Bausatz herum, und als ich fertig war, musste ich die Orgel noch stimmen. Das war ganz einfach: Für jeden Halbton (C, Cis, D, Dis, E...) gab es eine Platine mit einem Tongenerator für die höchste Oktave dieses Halbtons. Der Tongenerator hatte ein Trimmpotentiometer, womit man den Ton etwas nach oben oder unten stimmen konnte. Die Töne der unteren Oktaven wurden durch Frequenzteiler von diesem "Mutterton" abgeleitet.

In der Bauanleitung befand sich eine Liste, auf welcher für jede Quinte die Anzahl der Schwebungen pro Minute aufgeführt war. Ich schaltete ein weiches Register ein und stimmte das "A" nach der Stimmgabel, indem ich am Trimmpoti der A-Platine herumschräubelte. Dann spielte ich A und E zusammen, zählte die Anzahl der Schwebungen und drehte so lane am Trimmpoti der E-Platine, bis ich die vorgeschriebene Anzahl Schwebungen erreicht hatte. Dann spielte ich E und H zusammen und wiederholte den Vorgang usw. bis ich am Schluss beim D angelangt war.

So einfach war das und dauerte vielleicht eine knappe Stunde.
Der Minimoog
Jahre später kaufte ich mir einen Minimoog-Synthesizer und pröbelte damit herum. Ich stellte fest, dass ich beim Tiefpass-Filter (VCF) wieder die Teiltöne einzeln hörte, wenn ich die Emphasis (also die Filterwirkung) stark eingestellt hatte und am Cutoff (Grenzfrequenz) herumdrehte.
Die Rieger-Orgel in Meiringen
In den 1970er Jahren baute die Forma Orgelbau Rieger aus Vorarlberg eine dreimanualige Orgel mit 36 Registern in der riesigen Martinskirche in Meiringen. Eine sehr schöne Orgel, ziemlich barock intoniert. Das Brustwerk ist oberhalb vom Spieltisch, das Hauptwerk in der Mitte und das Schwellwerk weit oben. Das Pedal ist in einem separaten Gehäuse an der Kirchenwand aufgestellt.

Ich spielte natürlich sehr gerne auf dieser Orgel und sass manchmal stundenlang auf dem Orgelbänklein. Besonders liebte ich die Mixturen, denn ihr silbriger und lebendiger Klang schmeichelte meinen Ohren ungemein.

Eines Tages ging ich wieder in diese Kirche und übte. Schon bald stellte ich bei mir ein gewisses akustisches Unbehagen fest und fragte mich, was denn da los sei. Mit der Zeit merkte ich, dass die Mixturen ziemlich anders klangen. Irgendwie steril und leblos. Ich dachte: "Aha! Die Orgel ist wohl - inklusive Mixturen - frisch gestimmt worden." Und der Sigrist bestätigte mir, dass der Orgelbauer tatsächlich erst vor einigen Tagen vorbeigekommen sei und "ziemlich" an der Orgel herumgeschraubt habe.

Mit der Zeit "drifteten" die Register wieder ganz leicht auseinander, und die Mixturen tönten wieder allerliebst wie zuvor.
Cembalo
Während der Konsizeit hatte ich Generalbass-Unterricht bei Jörg Ewald Dähler. Eine Tages hörte ich die "Fantasia Chromatica" von Sweelinck am Radio, gespielt von Jörg Ewald Dähler. Irgendwie kam mir sein Cembalo etwas verstimmt vor, und ich sprach ihn in der nächsten Stunde darauf an. Er erklärte mir, dass das Cembalo in einer "alten" Stimmung gestimmt worden sei (Werckmeister, Vallotti...). Danach wurde ich aufmerksamer und hörte mir alte und ältere Musik genauer an und gewann mit der Zeit die "alten" Stimmungen ganz lieb.
Der Orgelbauer erdreistet sich...
1993/1994 wurde die Orgel in der Stadtkirche Thun revidiert und erweitert. Nach Abschluss aller Arbeiten ging ich frohgemut in die Kirche und spielte drauflos. Klang und Intonation waren tadellos, aber die Stimmung "stimmte" irgendwie nicht so ganz. Und dann stellte ich mit Empörung fest, dass der liebe Martin die Orgel nach seinem Lieblings-Gusto - und ohne meine Zustimmung - nicht so "gleichstufig" temperiert gestimmt hatte.

Ich rief dann Martin an und meckerte. Martin meinte: "Das ist doch viel interessanter, wenn die Tonarten mehr Eigencharakter haben und nicht alle so langweilig gleichmässig tönen!" - Ich: "Chabis und vergiss es! Stimm sie zurück!" Und so tat er es mit Murren und Zähneknirschen.
Die Orgel in Wimmis
Seit einigen Jahren habe ich eine Teilstelle in der Kirche Wimmis. Mir fiel schon bald auf, dass die Orgel nicht gleichstufig temperiert gestimmt war. Speziell Es- bis H-Dur tönten für meine Ohren ziemlich "falsch".

Vor einiger Zeit spielte ich dort an einem Konzert "melodiöse Popsongs", darunter auch "Bridge Over Troubled Water" von Simon And Garfunkel. Der Originalsong ist in Es-Dur, und in dieser Tonart hatte ich denn auch das Orgel-Arrangement geschrieben. Beim Üben nervten mich die vielen falschen Intervalle und Akkorde derart, dass ich das Stück einen Halbton tiefer nach D-Dur transponierte. Wonnevoll konnte ich darauf den Song einstudieren.

Glücklicherweise hat vor kurzem Orgelbauer Alain Ott die ganze Orgel gestimmt. Gleichstufig temperiert gestimmt.
31. Der Kammerton
Der Kammerton - auch Stimmton genannt - ist ein als gemeinsamer Bezugspunkt definierter Ton, auf den die Instrumente einer Musikgruppe - oder auch ein Tastensintrument - gleich hoch eingestimmt werden. Als Kammer-ton gilt wird heute das eingestrichene A = a' verwendet. Seine Frequenz variert zwischen 440 Hz (international), 442 Hz (Schweiz) und 443 Hz (Deutschland und Österreich).

Im Orchester wird der Kammerton vor Konzertbeginn von der Oboe gegeben. Der Konzertmeister (das ist der Boss der 1. Geige) nimmt den Ton ab und gibt ihn an alle Instrumente weiter.

Bis ins 19. Jahrhundert gab es keine einheitliche Stimmhöhe. Besonders im Barock wurden Orgeln und Cembali - je nach Stadt und Region - ganz verschieden hoch gestimmt.
32. Die Orgel wird gestimmt
Wenn die Orgel einer Generalstimmung unterzogen wird, werden alle Pfeifen gestimmt. Zuerst muss die Kirche auf etwa 18 ºC geheizt werden. Dann kommt der Orgelbauer und stimmt mit Hilfe eines elektronischen Stimmgeräts 12-24 Pfeifen vom Register Oktave 4' im Hauptwerk.

Er geht also in die Orgel, nimmt Stimmwerkzeug und das Stimmgerät mit und beginnt zu stimmen. Auf dem Orgelbänkli hockt derweil der (sich langweilende und gegen den Schlaf kämpfende) Stimmhalter, schaltet den Oktav 4' im Hauptwerk ein und wartet auf Anweisungen.

Der Orgelbauer schaltet das Stimmgerät ein und stellt es auf Ton C. Der Stimmhalter drückt Taste C. Der Orgelbauer stimmt dann die entsprechende Pfeife so lange auf und ab, bis keine Schwebung mehr zu hören ist. Dann ruft er "Ja" aus der Orgel, und der Stimmhalter drückt Taste D; der Orgelbauer stellt das Stimmgerät auf Ton D und stimmt die Pfeife D. Und so geht es weiter mit E - Fis - Gis - B, dann hat der Orgelbauer die 6 "Mutter-töne" auf der C-Lade gestimmt und schaltet das Stimmgerät aus. Die restlichen Töne des Oktav 4' auf der C-Lade werden dann gestimmt, indem der Stimmhalter einen Mutterton plus die untere oder obere Oktave drückt.

Danach schaltet der Tastenhalter ein weiteres Register ein. Zum Beispiel den Principal 8', der jetzt zusammen mit dem Oktav 4' erklingt. Der Orgelbauer stimmt jetzt alle Pfeifen vom Principal 8' auf der C-Lade und beginnt dabei mit der tiefsten Pfeife.

Danach wird der Principal 8' ausgeschaltet, dafür kommt die Rohrflöte 8' dazu. Dann stimmt der Orgelbauer alle Pfeifen von der Rohrflöte 8'. Dann stimmt er auf analoge Weise den Oktav 2' und die Aliquoten. Für die Flöte 4' nimmt er als "Referenzregister" nicht den Oktav 4', sondern die Rohrflöte 8'. Aus gutem Grund, denn gleich hoch gestimmte Pfeifen ziehen sich bekanntlich im Ton an.

Danach kommt die Mixtur, ein Register mit vielleicht 4 Pfeifenreihen, die im Oktav-Quint-Abstand stehen. Der Stimmhalter schaltet dazu Oktav 4' und die Mixtur ein. Und jetzt wird es mühsam, denn der Orgelbauer muss jetzt zuerst die drei kleineren Pfeifen eines Mixtur-Tons stumm machen; dazu braucht er kleine Bürstchen oder Pfeifenputzer oder Vogelfedern oder was-weiss-ich-was.

Sobald die drei Pfeifen mehr oder weniger stumm sind, kann der Orgelbauer die tiefste Pfeife der Mixtur stimmen. Dann nimmt er das Bürstchen aus der nächsthöheren Pfeife und stimmt diese, dann die übernächste und schliesslich die höchste Pfeife. Erst DANN geht es weiter zum nächsten Ton. - Eine Mixtur zu stimmen, dauert manchmal länger, als vier, fünf, sechs "normale" Einzelton-Register zu stimmen!

Wenn der Orgelbauer die C-Lade fertig gestimmt hat, dann stimmt er die Cis-Lade. Er geht zu dieser Lade, und das ganze Spiel beginnt von vorne. Also: Oktav 4' mit Stimmgerät und nach Gehör, dann alle Register und am Schluss die Mixtur.

Nach dem Hauptwerk kommt das Pedal an die Reihe, dann das 2. Manual (Schwellwerk oder Rückpositiv). Die Zungenregister von Manualen und Pedalen werden erst am Schluss gestimmt. - Ich habe mal eine Pfeife vom Dulcian 8' in der Stadtkirche gestimmt und die ganze Stimmerei aufgenommen. Hören Sie doch selbst:
Sie haben sicher gemerkt, dass ich die arme Pfeife vom Dulcian rauf und runter gestimmt habe. Später habe ich den Principal 4' dazugeschaltet und wieder an der Dulcianpfeife herumgeklöpferlt, bis alle Schwebungen aufhörten und der Ton ganz still und beinahe leblos wirkte.

Früher, als es noch keine Stimmgeräte gab, stimmte der Orgelbauer zuerst einen Ton nach einer Stimmgabel oder ähnlichem. Dann stimmte er die restlichen 11 Halbtöne innerhalb einer Oktave, indem er die Schwebungen pro Minute zählte (als ganz ähnlich, wie bei der Dr Böhm-Orgel, wie weiter oben beschrieben.
33.  Stimmungen
Die vielen komplizierten und teils widersprüchlichen Eigenschaften der Intervalle und ihrer Frequenzverhältnisse führen dazu, dass sich ein Instrument mit festgelegten Tonhöhen (Klavier, Orgel, Cembalo, Gitarre, Vibraphon...) nicht rein stimmen lässt. Man muss also einzelne Intervalle mehr oder weniger unrein stimmen, damit ein Spiel in mehreren - oder in allen 12 Tonarten - möglich ist.

Theoretisch wäre es ganz einfach: Das pythagoräische Komma besagt, dass 12 aufeinanderfolgende Quinten vom C nicht wieder aufs C führen, sondern zu irgendeinem His, das leicht über dem C liegt. Dieses His ist rund 24 Cent (genauer: 23.46 Cent) über dem C. Somit müsste man nur alle Quinten 2 Cent enger stimmen - das ist ja fast nichts - und hätte Frieden und Eierkuchen.

Aber so einfach ist es leider nicht. Ein Ton kann halt mehrere Funktionen haben. Nehmen wir als einfaches Beispiel den Ton C: Im C-Dur-Akkord ist es der Grundton, im F-Dur-Akkord ist es die Quinte, und im As-Dur-Akkord ist es die Terz. Und diese Töne sollten alle unabhängig von ihrer Funktion möglichst schön und rein klingen.

Bevor ich hier weiter schwadroniere, gestehe ich lieber gleich, dass ich von Stimmungen keine Ahnung habe! Ich kapiere es einfach nicht und will es auch gar nicht verstehen. Es ist so ähnlich wie früher am Gymer: Bis zu den Logarithmen und den Winkelfunktionen kam ich noch halbwegs mit; aber spätestens bei der Integral- und Differenzialrechnung fiel bei mir die Klappe hundert Pro herunter.

Zum Glück gibt es so gescheite Leute, die das alles kennen und auch mehr oder weniger verständlich erklären können. Bitte lesen Sie auf Wikipedia nach. was es denn so alles für Stimmungen gibt.

Und hier folgt ein Ausschnitt aus Wikipedia:
Es gibt eine Vielzahl von Systemen, die Töne des Tonsystems für eine 12-stufige Tastatur einzustimmen. Die wichtigsten Stimmungssysteme sind:

• Pythagoreische Stimmung
alle Quinten außer einer Wolfsquinte sind rein, Terzen sind dissonant
• Reine Stimmung oder Natürlich-harmonische Stimmung
In allen Tonarten reine Terzen und Quinten
• Mitteltönige Stimmungen
Möglichst reine Terzen, nur in wenigen Tonarten möglich.
• die 1/4-Komma mitteltönige Stimmung (die Basistonarten B-, F-, C-, G-, D-, A-, E-Dur enthalten reine Terzen.
• Silbermann-Sorge-Temperatur (sie kann als 1/6-Komma mitteltönige Stimmung bezeichnet werden)
• Wohltemperierte (Temperierte) Stimmung
alle Tonarten sind akzeptabel spielbar
• Werckmeister-Stimmung
• Kirnberger-Stimmung
• Vallotti-Stimmung
• Neidhardt-Temperatur
• Gleichstufige Stimmung
Die Oktave ist in 12 gleiche Halbtöne geteilt. Alle Tonarten tönen gleich verstimmt; die Terz ist zu weit,
die Quinte ist ein wenig zu eng.

Die Wahl der Stimmung ist davon abhängig, welche Musik gespielt werden soll. Die heute überwiegend verwendete Gleichstufige Stimmung ist für Musik nach 1800 geeignet. Frühere Musik oder außereuropäische Musik (Weltmusik) lebt sehr stark von der Intonationsreinheit oder von verschiedenartigen Tonartcharakteren.

Diese Forderungen können durch die Gleichstufige Stimmung nicht bedient werden. Im Rahmen der Historischen Aufführungspraxis Alter Musik werden daher ältere Stimmungssysteme wieder verstärkt erforscht, um adäquate Wiedergaben zu ermöglichen.
34.  Links
Weiterführende Links helfen Ihnen , sich vertieft mit der unendlichen Geschichte von den Orgelstimmungen zu befassen. Grundsätzlich gelten die in den Links abrufbaren Informationen für alle Musikinstrumente mit festgelegter Tonhöhe. Dazu gehören Orgel, Klavier, Cembalo, Clavichord, Harmonium, elektronische Audio-geräte wie Keyboard, Synthesizer und Digitalpiano, aber auchGitarre, Laute, Mandoline, Banjo, Ukulele, Vibraphon, Marimba, Xylophon usw.

Ein kleines Schmankerl möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Es gibt Tasteninstrumente (Orgeln und Cembali), welche mehr als zwölf Tasten pro Oktave haben. Die schwarzen Tasten kommen hier als Cis-Des oder Fis-Ges doppelt vor. Manchmal gibt es noch schwarze Zwischentasten für Eis und His. Wie leicht oder schwierig es ist, solche Instrumente zu spielen, bleibe dahingestellt...

Ein Grossteil der Links führt Sie zu Wikipedia.
Alles, was Sie über die Oberton- oder Teiltonreihe wissen müssen. Mit Klangbeispielen.
Ziemlich viel Mathematik und einige Klangbeispiele.
Ein ausführlicher Artikel über die Stimmungssysteme und übers Stimmen.
Zwei umfangreiche Tabellen mit Angabe der Töne, der Intervallbezeichnungen und der Frequenzverhältnisse in Proportionen und in Cent.
Autoren: Hans Eugen Frischknecht und Jakob Schmid. Unzählige Beispiele alter Stimmungen; dazu eine interaktive Seite mit dem Titel "Neue Stimmung" und einige Klangbeispiele. Sehr empfehlenswert!