ME / CFS  -  Long Covid  -  IV
...und kein Ende
ME/CFS = Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue Syndrom
IV = Schweizer Invalidenversicherung
Januar 2023
Februar2024
September 2024
Januar 2023
1.  Am Anfang
Es ist nach wie vor schwierig, die Kranheit mit dem unaussprechlichen Namen eindeutig zu diagnostizieren, und es gibt weiterhin keine Heilung. Starke Beschwerden und Einschränkungen führen bei vielen Patientinnen und Patienten zur Aufgabe der Erwerbstätigkeit, zu psychischen Problemen, zu sozialer Ausgrenzung und zu materieller Not. Eine ungenü-gende bis desolate medizinische Beratung und Versorgung macht das Leiden für Betroffene noch schlimmer. Und am Schluss stigmatisiert die Schweizerische Invalidenversicherung (IV) diese Leute mit fragwürdigen Gutachte(r)n und unverständlichen Entscheiden.
Alexandra, meine Tochter, leidet seit mehr als einem Jahr an ME/CFS. Sie hat kürzlich in einer Selbsthilfegruppe einen Mann mittleren Alters - nennen wir ihn XYZ - kennengelernt, der seit einigen Jahren an ME/CFS leidet. Da XYZ im Berner Oberland wohnt, bat meine Tochter mich, mit ihr zu ihm zu fahren; sie möchte XYZ mal "richtig" kennenlernen. Und so taten wir. Ich sass auch noch eine Weile mit den beiden zusammen. Was XYZ über seine Krankheit und deren Symptome sagte, war ziemlich genau das, was Alexandra mir schon seit vielen Monaten erzählt.
XYZ hatte vor vier Jahren ein Gesuch bei der IV um Rente gestellt. Im Juli dieses Jahres kam endlich der Vorbescheid. Ein Rentenanspruch wurde veweigert in Form eines schnoddrigen Deutschs, wie ihn nur Behördenvertreter zustande bringen. Ich las den IV-Bericht, ebenso einen Bericht des Inselspitals, und wurde stutzig. Darauf begann ich zu recherchieren. Und da stutzte es mir noch viel mehr, als ich mich langsam im Labyrinth der Invaldienversicherung sowie der gesamtschweizerischen und besonders der bernischen Sozialhilfe verlor.
Viele Wege führen nach Rom, und viele Vorerkrankungen können einen gesunden Menschen zu ME/CFS und schliesslich in den finanziellen und sozialen Niedergang führen.
2.  Alexandra
30.03.2022
Momentane Lage und Symptome

Hallo meine lieben Mitleidensgenossen.
Ich wollte mal ein Update zu meiner momentanen Lage machen. Zuerst möchte ich sagen, dass ich gemerkt habe, dass es bei mir immer weniger braucht und ich immer schneller einen Crash, also eine körperliche / kognitive Überforderung erleide, leider.
Ich achte sehr aufs Pacing und versuche, meinem Körper die Ruhe zu geben, die er braucht. Auch versuche ich immer, in mich hinein zu spüren, und das zu machen, was mein Körper gerade will. Leider klappt das auch nicht immer so, wie es scheint.
Zu meiner jetzigen Lage:
Seit einer Woche ca. schlafe ich täglich etwa 9 Stunden. Wenn ich dann aber aufwache, fühle ich mich immer noch extrem müde - ähnlich wie nach einer Tiefschlafphase - und könnte noch weiter schlafen. Aber irgendwann muss man ja aufstehen. Ich brauche etwa 1 Stunde im Bett, bis ich dann aufstehe, damit die Müdigkeit erstmals nachlässt, und auch um mich an die aufrechte Haltung zu gewöhnen.
Am Morgen (bei mir also eigentlich mittags, da ich so lange schlafe) hat mein Körper recht Mühe mit der aufrechten Lage beim Hocken, Laufen usw. Das zieht sich den ganzen Tag so hin. Nicht immer gleich extrem; abends fühl ich mich am besten. Es ist schwierig zu beschreiben. Auf jeden Fall ist es sehr unangenehm und fühlt sich an, als ob mein ganzes System (Körper, Kreislauf, ev. auch das Nervensystem) spinnt.
Habt Ihr das auch? Hilft etwas? Für mich ist es schon beängstigend. Solche Symptome hatte ich zuletzt nach meiner Akutinfektion, da war schon kurzes Fahren im Bus oder Warten beim Arzt katastrophal für mich. Ich fühlte mich so mies, als ob ich gleich umkippen würde. Wie ein Zittern im ganzen Körper, habe grelles Licht und Lärm auch gar nicht vertragen.
Nebenbei noch wird das meiste in meinen Arztberichten auch von der Long-Covid-Sprechstunde ins Psychosomatische geschoben. Habe die Berichte letzte Woche zum Lesen erhalten. Ich finde es einfach nur schlimm, und es macht mich sooo wütend! Ich kann meine Psyche gut von meinem Körper unterscheiden, und ich hatte deshalb einen halben Wutanfall. Ich weiss nicht, was diese Untersuchungen dann überhaupt bringen, wenn eh alles in diese Richtung geschoben wird, da man ja leider noch nicht viel weiss und keine Verantwortung übernehmen will.
Weiter zu meinen Symptomen:
Meine Erschöpfung ist im Moment auch sehr stark. Komme noch so halb durch den Tag, auf ner Skala würd ich sagen, so 15 bis max. 20%. Nach dem Frühstück lege/setze ich mich nochmals aufs Sofa, ca 2 Stunden, da die Erschöpfung dann immer am stärksten ist, und danach lege ich mich immer nochmals ins Bett, da die Müdigkeit wieder kommt. Heisst, ca. um 18.00 Uhr kann ich dann noch n bisschen was für den Tag machen. Echt krass das Ganze!
Ich schaue abends meist fern bis ca. 24.00 Uhr. Abends fühl ich mich immer am besten, deshalb bleibe ich so lange auf. Ich weiss, punkto Tagesrhythmus vielleicht nicht so ideal, wie mir alle immer sagen.
Ich habe in der Woche 1× probiert, ins Dorf zu gehen (was nicht weit ist, ca. 7 Minuten zu Fuss). Trank einen Kaffee in ner Bäckerei (fühlte mich elend beim Sitzen + Stehen), dann ging ich noch kurz einkaufen. War Katastrophe im Migros. Der ganze Körper spielte verrückt! ich hatte voll Konzentrationsprobleme, wie Matsch im Kopf. Zuhause musste ich mich gleich ablegen. Körper und Hirn waren wahrscheinlich total überreizt, beruhigten sich dann aber wieder durchs Liegen.
Die Symptome sind alle wieder ähnlich wie zu Beginn der Infektion. Auch habe ich wieder flaches Atmen-Gefühl, wie wenn ich zuwenig Sauerstoff erhalten würde.
Sorry für den langen Post. Ich wollte das mal loswerden und möchte schauen, ob es anderen auch so oder ähnlich geht.
Ich schaue diese Erkrankung recht neutral an und habe ehrlich gesagt bei mir nicht das Gefühl, dass es sich bessern wird. Der Fall ist eher umgekehrt, es wird langsam immer schlechter. Ich hatte vor ca. 2 Monaten Verbesserung, konnte immer mehr machen und laufen. Aber dann hatte ich einen heftigen Crash, und seitdem geht's immer schlechter, leider. Das Niveau von vor diesem Crash konnte ich bis jetzt nicht mehr erreichen.
Ich bin froh, dass ich noch n bisschen was machen kann und nicht nur im Bett liege. Habe auch Schiss davor, wenn es bei mir so weit sein sollte. Meine Symptome gehen stark ins ME/CFS aufgrund starker Belastungsintoleranz (musste Physio absagen, da mir 1 Termin jede Woche schon zu viel ist), und ich werde mich in Zürich auf PEM untersuchen lassen.
Die grosse Hoffnung steckt für mich in funktionierenden Therapien, die hoffentlich bald mal kommen werden. Ich werde mich zur Studie in CH bez. BC007 anmelden, hoffe sehr, dass sie mich nehmen werden und dass dann mal etwas Normalität einkehren wird. Denn manchmal ist dieser Zustand einfach zum Verzweifeln, und ich hätte noch so viel vor!
Alexandra wohnt seit Herbst 2021 oft bei mir in Steffisburg; manchmal nur einige Tage, manchmal auch länger. Es ist aber nicht so, dass sie mit dem Zug von Kaufdorf nach Thun, mit dem Bus bis Steffisburg und dann noch zu mir nach Hause fahren könnte. Das ginge gar nicht, denn dazu ist sie zu schwach! Und so hole ich sie jeweils ab und bringe sie später wieder in ihre Wohnung zurück. Sie kann seitdem auch nicht mehr arbeiten; sie ist mehr oder weniger an ihre oder meine Wohnung gefesselt.
3  Die heimtückische Krankheit
4.  ME/CFS
Die meisten Ärzte wissen bis heute wenig über ME/CFS, so dass sich Alexandra in den vergangenen eineinhalb Jahren vor allem im Internet und in Selbsthilfeforen informieren musste. In dieser Zeit habe auch ich allerhand über Long Covid und seine Folge-Erkrankung ME/CFS gelesen, erfahren, festgestellt und gelernt. Meine Informationen stammen zum Teil von Alexandra, zum grossen Teil aus dem Internet. Ich zitiere im folgenden einige Texte mit Quellenangabe. Es empfiehlt sich, die Links anzuklicken und die jeweiligen Beiträge vollständig durchzulesen.
Was ist ME/CFS?
Auslöser von ME/CFS
(Bayern 2)
Die Ursache von ME/CFS ist bislang unbekannt, dennoch wissen die Ärztinnen und Ärzte heute: ME/CFS wird typischerweise nach einer Infektionskrankheit ausgelöst. Zum Beispiel nach einer Erkältung, einer echten Grippe oder einer Ansteckung mit dem Epstein-Barr-Virus, das das Pfeiffersche Drüsenfieber auslösen kann.

Häufig sind die Patienten zu diesem Zeitpunkt auch in einer verletzlichen Lebensphase, also auch psychischem Stress ausgesetzt. Die Folge: Sie werden einfach nicht mehr gesund. Inzwischen weiß man auch, dass ME/CFS die Folge einer Covid-19-Erkrankung sein kann.
Was ist ME? (Schweizerische Gesellschaft für ME & CFS)
ME (My­al­gi­sche Enze­phal­omyel­itis) ist eine chronische neuro­immunologische Krankheit, welche in den meisten Fällen nach einem viralen Infekt eintritt. ME kann zu schwerer Behinderung führen. Die genaue Ursache der Erkrankung ist mangelhaft erforscht, doch es konnten bereits diverse Dysfunktionen des Nervensystems, des Hormonsystems, des Immunsystems und weiterer Systeme und Organe nachgewiesen werden.
Was ist CFS? (Universitätsspital Zürich)
Chronische Müdigkeit (Fatigue) ist ein häufiges Symptom, das verschiedene Ursachen haben oder Folge von psychischen sowie körperlichen Erkrankungen und deren Behandlungen sein kann.
Das chronische Müdigkeitssyndrom wird im Gegensatz dazu relativ selten diagnostiziert. Betroffene spüren zum Beispiel tiefe Erschöpfung selbst nach geringer körperlicher Belastung, etwa nach einem Spaziergang, und stossen in ihrem Umfeld häufig auf Unverständnis.
Was ist ME/CFS? (Medizinische Universität Wien)
Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS) ist eine neuroimmunologische Multisystemerkrankung. Typischerweise leiden ME/CFS Betroffene unter einer extrem beeinträchtigten Leistungsfähigkeit, die von schwerer körperlicher wie geistiger Fatigue begleitet wird und mindestens 6 Monate andauert. Die Krankheit führt je nach Schweregrad zu einer weitreichenden Behinderung, sowie Bettlägerigkeit und Pflegebedürftigkeit.
Obwohl die Ursachen von ME/CFS immer noch nicht erforscht sind, ist die Krankheit nicht unbekannt. Klassifiziert wurde ME/CFS von der WHO bereits 1969.
ME/CFS: mehr als nur Erschöpfung (Die Techniker)
Nach einer anstrengenden Arbeitswoche oder einer ausgelassenen Party ist jeder mal erschöpft und ausgepowert. Auch ein schwerer Infekt oder eine große körperliche Herausforderung können unsere Leistungs-fähigkeit vorübergehend schwächen.
Doch was, wenn körperliche und geistige Schwäche ständig ohne Grund auftritt und sich der innere Akku weder durch Schlaf noch durch Erholung wiederaufladen lässt? In Deutschland leiden etwa 250.000 Menschen unter myalgischer Enzephalomyelitis/chronischem Fatigue-Syndrom, auch ME/CFS genannt. Diese komplexe neuro-logische Erkrankung tritt oft nach einem Virusinfekt wie einer Grippe oder dem Pfeifferschen Drüsenfieber auf.
Symptome
Dauernd erschöpft - auch im Kampf um Anerkennung (SRF: Aus Puls vom 24. Februar 2020)
Chronische Fatigue nach einer schweren Krankheit ist nicht selten. Viele trifft es aber auch ohne ersichtlichen Grund. Schon kleinste Anstrengungen führen bei Betroffenen zur vollständigen körperlichen Erschöpfung, ohne dass es dafür eine schlüssige medizinische Erklärung gibt.
Geschätzt 30'000 Menschen in der Schweiz leiden unterschiedlich stark unter dem Phänomen, für das es trotz fünf Jahrzehnten ICD-10-Klassifizierung nach wie vor kaum wissenschaftlich fundierte Forschung gibt.
Beim Googeln habe ich diverse Grafiken gefunden und dann selber eine Grafik gebastelt.

Bei Alexandra sind folgende Symptome zu beobachten:
PEM (Post-Extertional Malaise)
Chronische Fatigue
Schwindel
Herzrasen und Atemnot (selten)
Sehr empfindlich auf Lärm
Verschobener Tag-Nacht-Rhythmus
Verdauungsprobleme (eher selten)
Kopfschmerzen
Darum sollten wir das Chronische Fatigue-Syndrom ernst nehmen (Quarks)
Eine empfehlenswert Website vom 27. Oktober 2020 (!) mit folgendem Inhalt:
Was ist das Chronische Fatigue-Syndrom?
Wer ist gefährdet?
Ist ME/CFS psychisch bedingt?
Was passiert bei ME/CFS im Körper?
Kann Covid-19 ME/CFS auslösen?
Ist ME/CFS behandelbar?
Brain Fog (Wikipedia)
Brain Fog (deutsch Bewusstseinstrübung) bezeichnet seit jeher das wichtigste pathogenetische Merkmal des Deliriums und ist kennzeichnend für eine Reihe von kognitiven Defiziten. Aufmerksamkeit erhält das Phänomen aktuell im Zusammenhang mit Long COVID insbesondere, da es nicht nur nach schweren Krankheitsverläufen auftritt.
Frauen sind öfters von den diffusen Beschwerden, die unter brain fog als Folge von Long Covid zusammengefasst werden, betroffen. Eine stationäre Anschlussbehandlung benötigt jedoch nur ein Teil der Patienten.
Die Schwere einer Coronaerkrankung ist nicht ausschlaggebend für die anschließend auftretende Intensität von Bewusstseinstrübungen. Eine direkte Beeinflussung des zentralen Nervensystems in Folge einer Covid-Erkrankung ohne schweren Verlauf konnte mittlerweile nachgewiesen werden. Darüber hinaus gibt es immer mehr Berichte von Betroffenen, die im Zusammenhang mit Long Covid an Gehirnnebel leiden und von umfangreichen Einschränkungen im Alltag, bis hin zur Arbeitsunfähigkeit berichten...
Brain Fog (ME/CFS Schweiz)
Unter kognitiven Einbussen versteht man jegliche Verschlechterung der geistigen Funktion - in allen möglichen Formen und Intensitäten. Klassischerweise fühlen sich die Betroffenen "verlangsamt" und benebelt - so wird oft auch der Ausdruck "Hirnverneblung" ("brain fog") explizit verwendet. Die früher unproblematischen, geistigen Aktivitäten brauchen jetzt deutlich mehr Zeit, die Konzentration lässt schneller nach, und es werden vermehrt Durchführungs-Fehler gemacht.
Besonders häufig klagen die Betroffenen über diverse Formen von Reizüberflutung, Wortfindungsstörungen, Probleme bei der situativen und/oder räumlichen Orientierung sowie deutlich erschwertes Lernen (Kurz- und Langzeitgedächtnis lassen einen vermehrt im Stich). Oft berichtet wird auch über erschwertes Folgen der Alltagsgespräche oder die Notwendigkeit von mehrfachem Lesen von bereits sehr kleinen Textabschnitten.
Crash (ME-CFS Portal)
Das ME-CFS Portal bzeichnet sich selbst als „Größte Online-Selbsthilfegruppe im deutschsprachigen Raum für Menschen, die an ME/CFS oder LongCovid (ME/CFS) erkrankt sind”. Dort habe ich eine bemerkenswerte und krasse Beschreibung gefunden, die ich hier gerne zitiere:
Aus euren Erzählungen heraus haben wir eine kleine Sammlung von Aussagen erstellt, wie sich ein Crash anfühlt. Dies soll Außenstehenden helfen besser zu verstehen, wie man sich während eines ME/CFS Crashs fühlt.
Stell Dir vor, Du hast eine Grippe, liegst mit Fieber, Muskel-, Glieder- und Kopfschmerzen im Bett. Das ist quasi die Ausgangslage. In diesem Zustand kippst Du dir auf Ex eine große Flasche Schnaps hinter die Binde, gerätst in eine Massenschlägerei und wirst übelst mit Baseballschlägern verprügelt.
Dein Puls rast, Du spürst Dein Herz wie wild klopfen, Dein Kopf platzt fast vor Schmerzen, Du hast Sehstörungen, Dir ist schwindelig, Deine Muskeln und Gelenke schmerzen, Bauchschmerzen, Übelkeit… Obwohl Du völlig fertig bist, kannst Du nicht schlafen, Dein Körper und Geist kommt nicht zur Ruhe.
Du liegst in einem dunklen Zimmer, weil Du kein Licht ertragen kannst. Selbst der kleinste Lichtstrahl fühlt sich an, als würde man Dir die Augenlieder mit Gewalt aufhalten und Dir mit einer megahellen Taschenlampe in die Augen leuchten. Selbst leise Geräusche tun Dir regelrecht weh im Kopf.
Deine Gedanken kreisen, du fragst dich "was habe ich nur gemacht, dass sich mein Zustand gerade wieder so extrem verschlimmert" und Du suchst den Fehler bei Dir, machst Dir Selbstvorwürfe, suchst nach Gründen für die Verschlechterung.
WAS TUN, wenn Du in einem üblen Crash gelandet bist und nichts mehr geht, außer liegen, Augen zu, atmen und hoffen, dass es bald besser wird. WAS MACHST DU, wenn Du einfach nur noch im dunklen Zimmer liegen kannst, nicht mal mehr die Kraft dazu hast, das Handy in die Hand zu nehmen, um dich mit irgendetwas ablenken zu können?
Unzählige Stunden hast Du schon in diesem Zustand (Crash) verbracht und Dir den Kopf darüber zerbrochen was Dir helfen könnte, um es irgendwie auszuhalten, es zu ertragen, nicht zu verzweifeln, nicht depressiv zu werden und nicht die Hoffnung aufzugeben.
Du hast Angst davor, dass der Zustand so bleibt, weil die Krankheit so unberechenbar ist. Du hast Angst davor alleine zu sein, Du bekommst Angst vor Deinen eigenen Gedanken. Fragen über Fragen tauchen auf in Deinem Kopf. Was wäre, wenn…
Der Zustand macht Dir große Angst. Du bist verzweifelt und wünschst dir nur eins, so schnell wie möglich wieder aus dem Crash zu kommen, um nicht mehr länger Deinen Gedanken ausgeliefert zu sein.
Pots (Quarks.de)
Auffällig oft tritt bei ME/CFS-Patienten eine Fehlregulation des vegetativen Nervensystems namens „Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom” - kurz „POTS” - auf. Leidet man an POTS, kommt es beim Aufrichten aus dem Liegen oder Sitzen zu Herzrasen, Schwindel und Schwäche...
Behandlung
Therapie
Die gibt es noch immer nicht. Grund: Mangelndes Interesse von Gesellschaft und Politik; ausserdem marginale Forschung und ungenügende Forschungsgelder (zumindest in den deutschsprachigen Ländern).
Pacing (Schweizerische Gesellschaft für ME & CFS)
Wie die Patientenorganisationen für ME und CFS empfehlen mittlerweile auch die amerikanischen Gesundheits-behörden das sogenannte Pacing. Pacing ist keine Behandlung im engeren Sinn, sondern eine Technik für das Management der Krankheit, mithilfe derer eine akute oder anhaltende Symptom­verschlechterung vermieden werden kann.
Ziel des Pacings ist es, die richtige Balance zwischen Ruhe und Aktivität zu finden, so dass Symptomver-schlechterungen durch Überanstrengung konsequent vermieden werden können. Dazu müssen die Patienten und Patientinnen ihre Grenzen sehr genau kennen und sie mithilfe verschiedener Hilfsmittel wie Pulsuhr, Aktivitäts-tracker oder einer Stoppuhr einhalten.
Lichtblick
Politik (Schweizer Parlament/Ratsbetriebe)
Es gibt auch Hoffnung! Am 26. September 2022 reichte Ständerat Damian Müller (FDP) eine Interpellation zuhanden des Bundesrates ein:
In einer kürzlich veröffentlichten Studie der Charité Berlin (Mitautorin Prof. Dr. med. Carmen Scheibenbogen) wurde belegt, dass auch COVID-19 ein Auslöser von Myalgischer Enzephalo-myelitis/Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS) ist. Was bereits vermutet wurde, ist nun also Gewissheit, und die Fälle von ME/CFS dürften in den nächsten Monaten und Jahren steigen.
Wie viele ME/CFS Patientinnen und Patienten es in der Schweiz zurzeit gibt, ist nicht bekannt. Schätzungen gehen von 24 000 Betroffenen in der Schweiz aus. Es gibt zurzeit weder validierte Tests zur Bestätigung oder Ausschluss von ME/CFS noch eine Therapie. Obwohl CFS seit 1969 eine ICD-Nummer hat und unter "Neurologischen Krankheiten" mit der Nummer G-93.3 erfasst ist, wird sie häufig nicht anerkannt und weitestgehend ignoriert.
1. Wie schätzen der Bundesrat und das Bundesamt für Gesundheit die Situation von ME/CFS Betroffenen in der Schweiz ein?
2. ME/CFS wird von der IV häufig nicht anerkannt, dies aufgrund von fehlender Information und fehlender Sensibilisierung der Ärzteschaft und Gutachter. Was gedenkt der Bundesrat zur Verbesserung der Stellung von ME/CFS Patientinnen und Patienten gegenüber der IV zu tun?
3. Oft wird erst nach mehrjähriger diagnostischer und therapeutischer Odyssee die richtige Diagnose gestellt. Wie gedenkt der Bundesrat diesen Missstand in der Diagnostik und bei der Forschung von ME/CFS zu beheben?
4. Von ME/CFS sind zahlreiche Menschen betroffen, beispielsweise mehr als von MS. Dennoch gibt es kaum Kompetenzzentren, und eine Aufklärung der Bevölkerung, Spitäler, Ärzteschaft und Apotheken findet nicht statt. Wie, bis wann und mit welchen Mitteln will der Bundesrat sicherstellen, dass die Betroffenen die nötige Unterstützung erhalten und die Fachpersonen richtig informiert werden?
5. Verfügt der Bundesrat über Informationen, wie in der EU mit dem Thema ME/CFS umgegangen wird und wie viele Gelder für Forschung, Diagnostik, Therapie gesprochen werden? Wie sieht die rechtliche Situation der Betroffenen aus?
Die Antwort des Bundesrates können Sie lesen, wenn Sie hier oder auf den obigen Link klicken.
5.  Weitere Links
6.  Vorurteile
Viele Wege führen nach Rom, und viele Krankheiten - häufig eine Infektionskrankheit - führen schliesslich zu ME/CFS. Dies ist eine schwere, neuroimmunologische Krankheit mit einem komplexen Krankheitsbild.
Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS schreibt auf ihrer
Homepage:
Charakteristisch für ME/CFS ist die Post-Exertional Malaise, eine ausgeprägte und anhaltende Verstärkung aller Symptome nach geringer körperlicher oder geistiger Anstrengung. Die PEM führt zu ausgeprägter Schwäche, Muskelschmerzen, grippalen Symptomen und der Verschlechterung des allgemeinen Zustands. Sie tritt typischer-weise schon nach geringer Belastung auf. Schon kleine Aktivitäten wie Zähneputzen, Duschen oder Kochen können zur Tortur werden, Besorgungen im Supermarkt anschließend zu tagelanger Bettruhe zwingen.
Da ME/CFS schwierig zu diagnostizieren ist und sich nicht therapieren lässt, sehen sich Betroffene allerlei Vorurteilen ausgesetzt. Viele glauben, die Betroffenen würden simulieren oder hätten eine Depression oder andere psychische Probleme. Dazu kommt, dass mehrheitlich Frauen um die 30 oder älter an ME/CFS erkrankt sind.
Vorurteil: Mit gutgemeinten - aber kontraproduktiven - Aktivierungstechniken wird versucht, den Patienten auf Vordermann oder -frau zu bringen. Dabei verschlechtert sich der Gesundheitszustand nach dieser "Aktivierung", und die Betroffenen leiden unter einem tage- oder wochenlangen Crash.
Vorurteil: „Du hast vor allem psychische Probleme. Die führen bei dir zu einer tiefen Depression und damit zu einer derartigen Müdigkeit. Eine geeignete Psychotherapie wird dir auf die Beine helfen!” (Dabei ist es eher umgekehrt: Patienten, die an ME/CFS erkrankt sind, bekommen wegen der Hoffnungslosigkeit ihrer Lage mit der Zeit psychiche Probleme).
Vorurteil: „Ich glaube, dir geht es im Moment nicht so gut, deshalb simulierst du da irgendwas. Du sagst, ME/CFS sei die Abkürzung für ‘Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue Syndrom’. Also hallo und bitte schön, das ist ja ein unverständlicher Wortbandwurm. Ich glaube, diese Krankheit bildest du dir vor allem ein.”
7.  Finanzielle Situation
Seit Alexandra an ME/CFS erkrankt ist, nimmt sie jede Menge Nahrungsergänzungsmittel zu sich. Diese muss sie selber berappen, denn die Krankenkassen halten sich da fein raus. Das geht für Alexandra mächtig ins Geld.

Übrigens:  Mein Augenarzt stellte letzten Sommer bei meinem „guten“ Auge kleine Ablagerungen auf der Netz-haut fest. Ich sehe halt seit klein auf hauptsächlich nur mit dem linken Auge; beim rechten Auge ist die Makula ausser Betrieb. Er empfahl mir deshalb ein spezielles Vitaminpräparat, das ich selber bezahlen muss, weil es eben als Nahrungsergänzung gilt und daher von der Krankenkasse nicht bezahlt wird. Ich muss also jeden Tag eine von mir bezahlte Vitaminpille fressen, um nicht irgendwann teilweise oder ganz zu erblinden. Ist doch lustig, gell!
Alexandra ist seit Herbst 2021 arbeitsunfähig. Zwar erhält sie noch ihre 70% von der Arbeitslosenversicherung, aber in den nächsten Monaten ist dann fertig lustig, und Alexandra wird ausgesteuert.
Ihre Mutter ist vor einigen Jahren gestorben. Alexandra hat deshalb Geld und eine Wohnung geerbt. Es ist deprimierend, den finanziellen und sozialen Abstieg von Alexandra und ihren Mitleidensgenossen in Form einer Tragödie zu beschreiben:
Finanzieller Abstieg in 4 Akten für ME/CFS-Patienten mit Vermögen und Wohneigentum
1. Akt: Arbeitend
Alexandra hatte bis Herbst 2021 eine Stelle als Verkäuferin und erhielt Lohn. Der war zwar nicht sehr hoch, aber damit konnte sie ihren Lebensunterhalt bestreiten und sogar noch etwas auf die Seite legen.
2. Akt: Arbeitslos
Im Herbst 2021 erkrankte Alexandra am Coronavirus. Die anfangs leichte Krankheit entwickelte sich dann zu Long Covid und später zu ME/CFS. Arbeiten war nicht mehr möglich; Alexandra bezieht seitdem Arbeitslosengeld.
Im Herbst 2022 war die Erbteilung endlich abgeschlossen, und Alexandra konnte ihr "Erbe" antreten. Sie trat es damit an, dass sie die Hypothek auf ihre geerbte Wohnung kaufen musste, da sie ja keine Anstellung und folglich kein sicheres Einkommen hat und folglich nicht hypothekenwürdig ist. Dadurch verringerte sich ihr geerbtes Vermögen drastisch.
3. Akt: Ausgesteuert
Mit der Aussteuerung endet Alexandras Anspruch auf Arbeitslosentschädigung. Sie kann aber noch nicht Sozialhilfe beantragen Zuerst wird sie ihr (noch) vorhandenes Vermögen aufbrauchen und schliesslich die Wohnung verkaufen müssen. Damit oder davon kann sie eine Zeitlang leben.
4. Akt: Endgültig ausgesteuert
Nachdem Alexandra ihr Vermögen aufgebraucht und die Wohnung verkauft hat, wird sie - erneut ausgesteuert - zur Wohngemeinde pilgern und Antrag für Sozialhilfe stellen müssen. Die wird sie dann vermutlich auch erhalten.
Für Personen ohne Vermögen und Immobilien verkürzt sich die Tragödie auf drei Akte.
Finanzieller Abstieg in 3 Akten für ME/CFS-Patienten ohne Vermögen und Wohneigentum
1. Akt: Arbeitend
Die Person XY abeitet und erhält Lohn.
2. Akt: Arbeitslos
XY erkrankt (aus welchen Gründen auch immer) an ME/CFS. Arbeiten ist nicht mehr möglich; XY bezieht Arbeitslosengeld.
3. Akt: Ausgesteuert
Mit der Aussteuerung endet der Anspruch von XY auf Arbeitslosentschädigung. XY muss daher zur Wohngemeinde pilgern und Antrag für Sozialhilfe stellen. Die wird XY dann vermutlich auch erhalten.
8.  Die Invalidenversicherung
„Die IV ist der bedeutendste Pfeiler der Invalidenvorsorge in der Schweiz (1. Säule). Wie die AHV ist sie eine obligatorische Versicherung. Sie hat zum Ziel, den Versicherten mit Eingliederungsmassnahmen oder Geldleistungen die Existenzgrundlage zu sichern, wenn sie invalid werden.”
So schreibt die IV Schweiz auf ihrer Homepage. Das sind doch schöne, honigsüsse Worte, und in meinem Herzen wird es so richtig waaaarm. Und es ist wunderbar, dass die IV Bern die Maximalrente ab Januar 2023 auf Fr. 2450.- erhöhen wird. Doch da kühlt mein Herz gleich wieder etwas ab, denn dieser Betrag ist wenig luxuriös. „Das isch mäini nid so vil” würde da ein Lozerner sagen, und der Entlebucher würde nachdoppeln mit „Das isch aber rüüüüdig knapp!”
Nicht so schön ist die Tatsache, dass die IV bislang nur in wenigen Fällen ME/CFS-Patienten als rentenbezugswürdig (oder sagt man rentenbezugsberechtigt?) taxiert hat. Schauen Sie sich obigen Film noch einmal an: Dejan erhält (zum Glück) eine IV-Rente, Cassandra hingegen wurde sie verweigert; sie lebt von der Sozialhilfe. Warum einmal hüscht und einmal hott? Das erinnert stark an Lütterie und Lotterie. Oder ist das Motto vom IV-Lotto gar „in dubio contra reum”, die Antithese zum bekannten „in dubio pro reo”?
Wikipedia schreibt: „Eine Lotterie ist ein Vertrag, der ein nach einem bestimmten Spielplan gegen einen festgelegten Einsatz mit der Aussicht auf bestimmte Geld- oder Sachgewinne veranstaltetes Glücksspiel zum Inhalt hat, dessen Ausgang auf dem Zufall beruht.” - Diese Definition ist allerdings schwer verständlich und derart mies formuliert, dass ich den Satz etwa zehnmal lesen musste und immer noch nicht verstand. Aber ein Wort fiel mir schon auf, nämlich der Zufall.
Und alsobald googelte ich die IV mal so zünftig, und was ich da so las, betrübte mich zunehmend und führte mich zur Erkenntnis, dass die IV und die von ihr beanspruchten (teuren) Gutachterbuden von Willkür und Zufall bestimmte Gutachten und Entscheide abgeben und damit einen regelrechten Stall des Augias bilden. Den sollte man endlich mal ausmisten!!!
Man darf nicht alles für bare Münze nehmen, was da so im Internet zu lesen ist. Aber wenn seriöse Medien wie Beobachter, Schweizer Ärztezeitung, Blick, Radio+TV SRF (in der Regel negative) Beiträge zur IV und Konsorten publizieren, glaube ich denen unbesehen. Es ist daher für jede und jeden ratsam, die Gepflogenheiten und Machenschaften unserer Schweizer Invalidenversicherung unter die Lupe zu nehmen. Dazu einige Links:
Invalidenversicherung: Christoph Blochers Scheinwahrheiten
"Die Scheininvalidität ist zu einem gravierenden Problem geworden", schrieb Christoph Blocher in der
"Weltwoche" - mit irreführenden Zahlen. Der Beobachter hat sie unter die Lupe genommen.
Beobachter  (13. Oktober 2003)
Wer "betrügt" hier wen? (Ärzte gegen falsch negative Rentenbescheide und IV-Stopps)
Seit Jahren erleben wir bei schwerkranken Patienten grosse Not durch IV-Rentenstopps, Verzögerungen bei der
Rentenzusprache und Rentenverweigerungen. Stabilisierung und Genesung der Patienten werden verhindert....
Schweizerische Ärztezeitung  (13. Februar 2019)
„Ich brenne für das Leben”
XY ist schwer krank. Sie leidet am Chronischen Erschöpfungssyndrom ME/CFS - wie Tausende andere auch in der Schweiz.
Und doch bekommen die Betroffenen weder medizinische Betreuung noch eine Invalidenrente. Weil ihnen niemand glaubt.
Annabelle  (9. Juli 2019)
Ärzte, die mit dem Gesetz in Konflikt standen, arbeiten für die IV
1. Weshalb werden die Zusatzgutachten der IV nicht explizit an Fachärzte der öffentlichen Spitäler vergeben?
2. ...
Interpellation an den Bundesrat von Margrit Kessler  (18. September 2019)
Unwissen führt zu Vorurteilen
CFS-Erkrankte werden oft als "Simulanten" abgetan
Solothurner Zeitung  (1. Dezember 2019)
IV-Anmeldungen, die nur Chronic Fatigue betreffen, sind selten
Fachärzte, die sich mit dem Chronic Fatigue Syndrom auskennen, machen
unterschiedliche Erfahrungen mit der IV.
SRF  (1. März 2020)
Das Geschäft mit den Gutachten
Die Sozialversicherung gibt jährlich Millionen für medizinische Gutachten aus.
Fachleute warnen: Es profitieren die Falschen. Zum Beispiel ein umtriebiger
Unternehmer aus Basel.
Surprise  (20. November 2020)
Risikozuschlag wegen Anwalt - Umstrittener IV-Gutachter fordert Extra-Prämie
Neuer Ärger mit dem grössten Schweizer IV-Gutachter ABI (Aerztliches Begutachtungsinstitut (Basel):
Die Basler fordern einen Zuschlag, weil ein Anwalt ihnen gegenüber "stark negativ eingestellt" sei.
Blick  (23. Januar 2021)
IV verharmlost schwere Krankheit
Menschen mit chronischem Erschöpfungssyndrom werden von den IV-Gutachtern oft nicht
ernst genommen. Ein Betroffener kämpft - zusammen mit dem Berner Inselspital.
Beobachter  (11. Februar 2021)
Gutachten im Zweifel für die IV statt für die Betroffenen
Gleicher Gesundheitsschaden, unterschiedliche Beurteilung: Die Begutachtung von IV-Fällen
folgt einem Muster - zum Nachteil der Betroffenen.
Beobachter  (25. März 2021)
Wie private IV-Gutachter über Schicksale bestimmen
Private IV-Gutachter bestimmen massgeblich, wer eine IV-Rente bekommt. Jetzt regt sich Widerstand.
Kritiker fordern einen radikalen Systemwechsel.
Beobachter  (25. März 2021)
Inclusion Handicap kritisiert Qualität bei IV-Gutachten
Bei IV-Gutachten sollen laut Inclusion Handicap Gutachterinstitute und Begutachtende
grundlegende Rahmenbedingungen missachtet haben.
Nau.ch  (26. Januar 2022)
Ein Sieg gegen die IV
Die Invalidenversicherung glaubt vielen nicht, die am Erschöpfungssyndrom leiden.
Einer hat sich erfolgreich gewehrt. Können Betroffene nun hoffen?
Beobachter  (16. September 2022)
Post-Covid: Chronisch erschöpft gegen das System
Wer nach einer Covid-Erkrankung weiter an deren Symptomen leidet, sieht sich oft mit Misstrauen, Kündigung und
zahlungsunwilligen Versicherungen konfrontiert. Die fehlende Unterstützung kann einschneidende Folgen haben.
Die Wochenzeitung  (6. Oktober 2022)
Bürokratie in der IV: 98 Millionen für medizinische Gutachten
Mit IV-Gutachten kassieren manche Ärzte mehr als ein Bundesrat. Das zeigen neue Zahlen, die Infosperber exklusiv vorliegen.
Infosperber  (18. Oktober 2022)
Ist's Wahnsinn auch, so hat es doch Methode
ivinfo - Notizen zur Schweizerischen Invalidenversicherung  (4. November 2022)
usw.  usw..  usw...  usw....  usw.....  usw......  usw.......  usw........
9.  Lotterie IV-Rente
Aha! Die IV hat gar keine medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS), sondern lagert alle Begutachten an kommerzielle MEDAS aus. Interessant! Hier einige MEDAS-Schmankerls:
„Die Medas Interlaken Unterseen GmbH erstellt medizinische Gutachten. Sie ist in ihrem Urteil unabhängig...”
Äusserst befremdlich ist die Homepage der MEDAS ZÜRICH. Man kann nicht mal ihre Cookies deaktivieren. Es heisst da: „Wir benutzen Cookies. Wenn du (wer hat denen eigentlich erlaubt, mich zu duzen?) die Website weiter nutzt, gehen wir von Deinem Einverständnis voraus.” Dazu kommt, dass der Text NICHT kopiert werden kann; auch ist der Quelltext nicht abrufbar „ALERT: Your are not allowed to copy content or view source.”
Na, dann schreib ich halt das esoterische Gesülze, das offenbar von einem eifrig-schmierige Dösbaddel verfasst wurde, teilweise ab:
„VISION   Nur wer genau hinschaut und dabei verweilt, erkennt den wahren Wert der kunstvollen Schöpfung. Wir schauen genau hin und versuchen, (das Komma fehlt auf der Website) dieses Kunststück in jedem unserer Gutachten zu realisieren. Die Evolution beginnt metaphorisch dort, wo...   ......es ist die urtümliche Schöpfung, die die Harmonie und Schönheit der Komposition festlegt...   ...gleichsam eines harmonisch schwingenden Lambdomas...  ...Ordnung ist die Antithese zum Chaos...   ...blablablablablablablablabla
WORK   Die MEDAS Zürich GmbH ist ein medizinisches Gutachteninstitut, welches gesetzlich als neutral und unabhängig von Staat und Gesellschaft eingestuft wird...”
Hübsch ist, was ABI (Aerztliches Begutachtungsinstitut GmbH, Basel) über sich schreibt: „Der rechtliche und organisa-torische Rahmen gewährleistet Unabhängigkeit und Neutralität, und jedes Gutachten wird einer vielseitigen und gründlichen Qualitätskontrolle unterzogen... ...Unsere Hauptauftraggeber sind IV-Stellen und Versicherungen aus dem UVG- und KVG- Bereich sowie Gerichte und Private.”
Das EDI hat die Liste „Polydisziplinäre Gutachterstellen, welche über einen Vertrag mit dem BSV nach Artikel 72bis IVV verfügen” erstellt. Darauf werden 29 MEDAS aufgeführt. Sie erhalten diese Liste, wenn Sie hier draufklicken.
Die gewinnorientierten MEDAS sind abhängig von den Aufträgen der IV, und wenn ein Gutachter die Arbeitsunfähigkeit eines Antragstellers NICHT bestätigt, freut das die notorisch unterfinanzierte IV, denn dann muss sie (die IV) eine Rente weniger ausrichten.
Die Unterfinanzierung beheben, nicht die Behinderten bestrafen!. So lautet der Titel eines Beitrags der „Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolititk.” vom 1. Oktober 2005. Dort steht, die IV sei seit über dreissig Jahren unterfinanziert. Zitat „Die IV-Finanzen sind desolat. Dieser Umstand wurde in der politischen Diskussion benutzt, den Versicherten, welche auf IV-Renten angewiesen sind, Missbrauch vorzuwerfen.” Wenn wir noch die knapp 20 Jahre (von 2005-2023) dazuzählen, wären das 50 Jahre!!!. So lange ist das schon her; und noch immer pfeift die IV finanziell aus dem letzten (zweitletzten) Loch. Scheusslich!
10.  Die IV verweigert den Rentenanspruch
Wie eingangs schon erwähnt, hat XYZ vor vier Jahren ein Gesuch bei der IV um Rente gestellt. Die IV geruhte, XYZ den Vorbescheid im - halleluja! - Juli 2022 zu schicken. Ein Rentenanspruch wurde abgelehnt, die Begründung war in schwerst verständlichen Behördengestammel abgefasst. Bemerkenswert ist die fehlende Datierung auf diesem Vorbeischeid.
Mit Erlaubnis von XYZ publiziere ich ihn hier.
Vorbescheid
Von:
An:
Datum:
 
IV-Stelle des Kantons Bern
Herrn XYZ in...
???
Keine Kostengutsprache für Leistungen der IV
Sehr geehrter Herr XYZ
Wir haben den Anspruch auf Leistungen der IV geprüft. In der Beilage erhalten Sie die relevanten gesetzlichen Grundlagen. Darauf beruht unser Entscheid.
Wir entscheiden:
Mangels eines Gesundheitsschadens mit invalidisierender Wirkung im Rechtssinne besteht kein Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung.
Abklärungsergebnis:
Die Annahme eines psychischen Gesundheitsschadens, setzt zunächst eine fachärztlich einwandfrei gestellte Diagnose nach einem wissenschaftlich anerkannten Klassifikationssystems voraus. Im Weiteren liegt keine versicherte Gesundheitsschädigung vor, soweit die Leistungseinschränkung auf Aggravation oder einem sekundären Krankheitsgewinn beruht (z.B. bei fehlender Therapie). Verbieten solche Ausschlussgründe die Annahme einer Gesundheitsbeeinträchtigung, so besteht von vornherein keine Grundlage für Leistungen der Invalidenversicherung.

Ist eine Gesundheitsbeeinträchtigung ausgewiesen und bestehen keine Ausschlussgründe, wird in einem zweiten Schritt die Arbeitsfähigkeit beurteilt. Das heisst, es werden die funktionellen Folgen der Gesundheitsschädigung qualitativ und quantitativ eingeschätzt, dies mit Hilfe sogenannter Indikatoren.

Die im Regelfall beachtlichen Standardindikatoren lassen sich in die Kategorien Schweregrad und Konsistenz der funktionellen Auswirkungen einteilen.

Die Kategorie Schweregrad umfasst folgende Komplexe: "Gesundheitsschädigung", "Persönlichkeit" und "sozialer Kontext", welche teilweise wiederum verschiedene Indikatoren beinhalten:
Komplex "Gesundheitsschädigung":
a. Ausprägung der diagnoserelevanten Befunde und Symptome
b. Behandlungs- und Eingliederungserfolg oder -resistenz
c. Komorbiditäten
Komplex "Persönlichkeit"
Komplex "sozialer Kontext"

Die Kategorie Konsistenz beinhaltet zwei Kategorien:
- Gleichmässige Einschränkung des Aktivitätenniveaus in allen vergleichbaren Lebensbereichen
- Behandlungs- und eingliederungsanamnestisch ausgewiesener Leidensdruck.

Die Anerkennung eines invalidisierenden Gesundheitsschadens ist nur zulässig, wenn die funktionellen Auswirkungen der medizinisch festgestellten gesundheitlichen Anspruchsgrundlage anhand der Standardindikatoren schlüssig und widerspruchsfrei mit (zumindest) überwiegender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sind.

Gemäss den getätigten Abklärungen ist vorliegend von folgendem Beschwerdebild auszugehen:
•   Somatisierungsstörung mit zwanghafter Persönlichkeitsstruktur und einer Mehlstauballergie

Die Tatsache, dass Sie noch nie in psychiatrischer Behandlung standen und keine entsprechenden Medikamente erhalten, spricht gegen einen ausgewiesenen Leidensdruck. Sie nutzen nur Therapieoptionen, die Sie selbst als passend empfinden, nicht jene, die medizinisch indiziert wären.

Es bestehen auch keine Komorbiditäten. Sie verfügen über eine mehrjährige Berufsbildung, fahren Auto und werden von der Familie unterstützt. Gesamthaft sind dies genügend Ressourcen.

Sie sind sozial eingebunden, unterhalten Kontakt zu Ihren Eltern und zwei Freunden. Sie machen in der Werkstatt Holzarbeiten. Zudem beschreiben die Gutachter einen athletischen Körperbau, was eine erhebliche Diskrepanz zu dem geschilderten Tagesablauf darstellt.

Weiter waren in der neuropsychologischen Untersuchung die eigenanamnestischen Angaben, die Aktenanamnese sowie die Untersuchungsbefunde in sich nicht konsistent und plausibel. Weiter konnten keine Beeinträchtigung, die sich gleichermassen auf die Funktionsfähigkeit in Alltag und Beruf auswirken, während der Begutachtung objektiviert werden. Insbesondere war die Belastbarkeit während den Untersuchungen unauffällig und eine Erschöpfung konnte nicht festgestellt werden.

Insgesamt erweisen sich die geltend gemachten funktionellen Auswirkungen der medizinisch festgestellten Beeinträchtigungen anhand der Standardindikatoren nicht als überwiegend wahrscheinlich dargestellt.
Hinweis:
Gegen diesen Vorbescheid können Betroffene, wenn sie ... innert 30 Tagen bei der IV-Stelle Kamtom Bern Einwand erheben.
...
Ich habe den Wisch von der IV mehrmals durchgelesen und zu verstehen versucht, was der (die) Sachbearbeiter(in) eigentlich sagen will. Es handelt sich hier um extrem hässliches Behördendeutsch, wofür ich in der 8. Klasse vermutlich eine ungenügende Note erhalten hätte. Ganz schlimm sind die vielen Wortzusammensetzungen. Die deutsche Sprache erlaubt die zwar; aber bitte schön: sechs- bis achtsilbige Wortbandwürmer wie „Gesundheitsbeeinträchtigung” oder „Gesundheits-schädigung” oder „Aktivitätenniveaus” oder „diagnoserelevanten” könnte man doch durch etwas Genitiv oder einen Nebensatz ersetzen.
Da mich manchmal das Teufelchen schtüpft, folgt hier nochmals der IV-Bericht; diesmal habe ich Wörter markiert, die 7 oder mehr Silben haben.
Vorbescheid
Von:
An:
Datum:
 
IV-Stelle des Kantons Bern
XYZ
fehlt!
Keine Kostengutsprache für Leistungen der IV
Sehr geehrter Herr XYZ
Wir haben den Anspruch auf Leistungen der IV geprüft. In der Beilage erhalten Sie die relevanten gesetzlichen Grundlagen. Darauf beruht unser Entscheid.
Wir entscheiden:
Mangels eines Gesundheitsschadens mit invalidisierender Wirkung im Rechtssinne besteht kein Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung.
Abklärungsergebnis:
Die Annahme eines psychischen Gesundheitsschadens, setzt zunächst eine fachärztlich einwandfrei gestellte Diagnose nach einem wissenschaftlich anerkannten Klassifikationssystems voraus. Im Weiteren liegt keine versicherte Gesundheitsschädigung vor, soweit die Leistungseinschränkung auf Aggravation oder einem sekundären Krankheitsgewinn beruht (z.B. bei fehlender Therapie). Verbieten solche Ausschlussgründe die Annahme einer Gesundheitsbeeinträchtigung, so besteht von vornherein keine Grundlage für Leistungen der Invalidenversicherung.

Ist eine Gesundheitsbeeinträchtigung ausgewiesen und bestehen keine Ausschlussgründe, wird in einem zweiten Schritt die Arbeitsfähigkeit beurteilt. Das heisst, es werden die funktionellen Folgen der Gesundheitsschädigung qualitativ und quantitativ eingeschätzt, dies mit Hilfe sogenannter Indikatoren.

Die im Regelfall beachtlichen Standardindikatoren lassen sich in die Kategorien Schweregrad und Konsistenz der funktionellen Auswirkungen einteilen.

Die Kategorie Schweregrad umfasst folgende Komplexe: "Gesundheitsschädigung", "Persönlichkeit" und "sozialer Kontext", welche teilweise wiederum verschiedene Indikatoren beinhalten:
Komplex "Gesundheitsschädigung":
a. Ausprägung der diagnoserelevanten Befunde und Symptome
b. Behandlungs- und Eingliederungserfolg oder -resistenz
c. Komorbiditäten
Komplex "Persönlichkeit"
Komplex "sozialer Kontext"

Die Kategorie Konsistenz beinhaltet zwei Kategorien:
- Gleichmässige Einschränkung des Aktivitätenniveaus in allen vergleichbaren Lebensbereichen
- Behandlungs- und eingliederungsanamnestisch ausgewiesener Leidensdruck.

Die Anerkennung eines invalidisierenden Gesundheitsschadens ist nur zulässig, wenn die funktionellen Auswirkungen der medizinisch festgestellten gesundheitlichen Anspruchsgrundlage anhand der Standardindikatoren schlüssig und widerspruchsfrei mit (zumindest) überwiegender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sind.

Gemäss den getätigten Abklärungen ist vorliegend von folgendem Beschwerdebild auszugehen:
•   Somatisierungsstörung mit zwanghafter Persönlichkeitsstruktur und einer Mehlstauballergie

Die Tatsache, dass Sie noch nie in psychiatrischer Behandlung standen und keine entsprechenden Medikamente erhalten, spricht gegen einen ausgewiesenen Leidensdruck. Sie nutzen nur Therapieoptionen, die Sie selbst als passend empfinden, nicht jene, die medizinisch indiziert wären.

Es bestehen auch keine Komorbiditäten. Sie verfügen über eine mehrjährige Berufsbildung, fahren Auto und werden von der Familie unterstützt. Gesamthaft sind dies genügend Ressourcen.

Sie sind sozial eingebunden, unterhalten Kontakt zu Ihren Eltern und zwei Freunden. Sie machen in der Werkstatt Holzarbeiten. Zudem beschreiben die Gutachter einen athletischen Körperbau, was eine erhebliche Diskrepanz zu dem geschilderten Tagesablauf darstellt.

Weiter waren in der neuropsychologischen Untersuchung die eigenanamnestischen Angaben, die Aktenanamnese sowie die Untersuchungsbefunde in sich nicht konsistent und plausibel. Weiter konnten keine Beeinträchtigung, die sich gleichermassen auf die Funktionsfähigkeit in Alltag und Beruf auswirken, während der Begutachtung objektiviert werden. Insbesondere war die Belastbarkeit während den Untersuchungen unauffällig und eine Erschöpfung konnte nicht festgestellt werden.

Insgesamt erweisen sich die geltend gemachten funktionellen Auswirkungen der medizinisch festgestellten Beeinträchtigungen anhand der Standardindikatoren nicht als überwiegend wahrscheinlich dargestellt.
Hinweis:
Gegen diesen Vorbescheid können Betroffene, wenn sie ... innert 30 Tagen bei der IV-Stelle Kamtom Bern Einwand erheben.
...
Wenn ich da richtig gezählt habe, sind das rund 470 Wörter inklusive 18 Wortbandwürmer; das macht einen Wortband-wurmanteil von 3.8%.
Ich aber begriff das Geschreibe immer noch nicht und musste mehrere mir unbekannte Wörter nachschlagen.
Aggravation
Ein Begriff, der im weiteren Sinne die Verschlimmerung eines Symptoms oder einer Krankheit meint. Ebenfalls als Aggravation bezeichnet wird eine unangemessene, übertriebene Präsentation von Symptomen oder Einschränkungen durch den Patienten, oft mit dem Ziel eines sekundären Krankheitsgewinns.
Krankheitsgewinn
(englisch morbid gain) ist eine allgemeine Bezeichnung für die objektiven und/oder subjektiven Vorteile, die ein (tatsächlich oder vermeintlich) Kranker aus seiner Krankheit bzw. die ein Patient aus seiner Diagnose zieht.
sekundärer Krankheitsgewinn
Horscht Schlämmer: „Na-wat-isch-n-dat??? chchchch”
beachtlich
Hier meinte der des Deutschen nur mässig kundige IV-Gutachter wohl „zu beachtenden”
Komorbidität
Komorbidität heisst allgemein, dass zusammen mit einer Grunderkrankung gleichzeitig eine oder mehrere weitere Krankheiten vorliegen.
anamnestisch
bedeutet „die gesundheitliche Vorgeschichte (Anamnese) betreffend”.
Somatisierungsstörung
Diese Krankheit ist gekennzeichnet durch anhaltende Körperbeschwerden oder Schmerzen. Für diese Beschwerden findet sich trotz intensiver und genauer Untersuchungen keine körperliche Ursache. Dabei finden sich immer wieder Befunde, die einen Teil der Beschwerden erklären können, aber nicht das volle Ausmaß.
Wenn ICH der ME/CFS-Patient wäre, müsste ich mich von meinem Hausarzt beraten lassen; dieser könnte mir dann viel-leicht erklären, warum zum Teufel ich für die IV ein Invalidenversicherungsleistungsanspruchsunberechtigter (17 Silben) bin.
Ich schnall's einfach nicht und bin ratlos. Vielleicht verstehen Sie es auch nicht, verehrte Besucherin / verehrter Besucher meiner Homepage. Aber vielleicht haben Sie die obigen Links zur IV angeklickt und einige Beiträge gelesen; da wird ja deutlich, dass unsere IV ein vertrauensunwürdiger, niederkastiger Lotter(ie)verein ist.
11.  Arztbericht vom Berner Inselspital
Der Hausarzt von XYZ erhielt im August 2022 ein Gutachten vom Neurozentrum des Berner Inselspitals. Da die IV es unterlassen hat, ihren abschlägigen Vorbeischeid zu datieren, weiss ich nicht, ob das Gutachten des Inselspitals vor oder nach dem IV-Bescheid erstellt wurde. Mit der Erlaubnis von XYZ publiziere ich auch diesen Bericht.
INSELSPITAL
Neurozentrum
An Hausarzt UVW des Patienten XYZ
Bern, August 2022
Betrifft: Patient XYZ
 
Sehr geehrter Herr UVW

Wir berichten kurz über obgenannten Patienten, den wir am ... in der gemeinsamen Sprechstunde gesehen haben. Dabei ging es v.a. um die Diagnose seiner gesundheitlichen Störung.

Diagnose:   Myalgische Encephalomyelitis / chronic Fatigue Syndrom (ICD-10 G93.3)

Aufgrund der erfüllten klinischen Kriterien und der typischen Risikofaktoren kann die Symptomatik
von XYZ im Rahmen einer myalgischen Encephalomyelitis / eines chronic Fatigue Syndroms (ME/CFS) zusammengefasst werden. Diese Diagnose passt auch zur bisher verwendeten Diagnose nach DSM-V der somatischen Belastungsstörung; diese Diagnose ist rein beschreibend und benennt vor allem die körperlichen, psychischen und sozialen Belastungen im Rahmen des Beschwerdebildes, unabhängig von der Ursache.

Den Hintergrund von funktionellen Störungen, zu denen auch ME/CFS gehört, bildet eine Sensi-bilisierung des zentralen und peripheren Nervensystems mit konsekutiven Dysregulationen und Reizamplifikationen, welche die vielfältige Symptomatik an den verschiedenen Organsystemen (inklusive der Psyche) erklären.

Chronische Stresseinwirkungen führen über eine Stimulation des Immunsystems zu neuro-physiologischen Veränderungen und entsprechenden Dysfunktionen. Entsprechend handelt
es sich bei ME/CFS um eine neuroimmunologische Erkrankung, welche auch Auswirkungen
auf das psychische Befinden haben kann, keinesfalls jedoch um eine psychische oder psychiatrische Erkrankung.

Eine Beurteilung der Erkrankung müsste denn auch durch entsprechende Fachspezialisten für funktionelle Störungen, d.h. durch die Psychosomatik resp. Neuropsychosomatik, erfolgen.
Auslöser der Symptomatik sind Stressbelastungen mit entsprechend überschiessender Aktivierung
des Immunsystems, wie das beim Patienten der Magenoperation mit Implantat der Fall war.

Zentrales Element der Behandlung ist - wie in den vorherigen Berichten beschrieben - das Pacing,
die Anpassung der körperlichen, mentalen und sozialen Aktivitäten an die effektiven Möglichkeiten, deren Grenzen durch die Beschwerden gesetzt werden und die nicht nur respektiert, sondern unterschritten werden sollten.

Entsprechend ist der Verlauf bei XYZ typisch, indem der forcierte Wiedereinstieg in eine berufliche Tätigkeit zu einem erneuten Rückfall mit deutlich stärkerer Symptomatik und längerer Erholungszeit geführt hat.

Demnach müssten erneute Arbeitsversuche sehr niederschwellig und über einen langen Zeitraum
mit Steigerung nicht nach vorgegebenem Plan, sondern entsprechend den effektiven Möglichkeiten erfolgen. Mit konsequentem Pacing hat XYZ bisher die besten Erfahrungen gemacht, und wir können XYZ dabei nur unterstützen.

Abzusehen ist von aktivierenden Massnahmen (wie z.B. auch aktivierende Medikamente) oder Trainingstherapien, da diese als Stressoren wirken und damit das Beschwerdebild unterhalten und verstärken.

Zur Begleitung im Rahmen des Pacings werden wir XYZ wie geplant erneut in unserer Sprechstunde sehen.


Freundliche Grüsse
Dr. med. ABC
Dr. med. DEF


Kopie an: Patient XYZ
Aus Gründen der Fairness hier noch einmal der Insel-Bericht mit Markierung von Wörtern mit 7 oder mehr Silben
INSELSPITAL
Neurozentrum
An Hausarzt UVW des Patienten XYZ
Bern, August 2022
Betrifft: Patient XYZ
 
Sehr geehrter Herr UVW

Wir berichten kurz über obgenannten Patienten, den wir am ... in der gemeinsamen Sprechstunde gesehen haben. Dabei ging es v.a. um die Diagnose seiner gesundheitlichen Störung.

Diagnose:   Myalgische Encephalomyelitis / chronic Fatigue Syndrom (ICD-10 G93.3)

Aufgrund der erfüllten klinischen Kriterien und der typischen Risikofaktoren kann die Symptomatik
von XYZ im Rahmen einer myalgischen Encephalomyelitis / eines chronic Fatigue Syndroms (ME/CFS) zusammengefasst werden. Diese Diagnose passt auch zur bisher verwendeten Diagnose nach DSM-V der somatischen Belastungsstörung; diese Diagnose ist rein beschreibend und benennt vor allem die körperlichen, psychischen und sozialen Belastungen im Rahmen des Beschwerdebildes, unabhängig von der Ursache.

Den Hintergrund von funktionellen Störungen, zu denen auch ME/CFS gehört, bildet eine Sensi-bilisierung des zentralen und peripheren Nervensystems mit konsekutiven Dysregulationen und Reizamplifikationen, welche die vielfältige Symptomatik an den verschiedenen Organsystemen (inklusive der Psyche) erklären.

Chronische Stresseinwirkungen führen über eine Stimulation des Immunsystems zu neuro-physiologischen Veränderungen und entsprechenden Dysfunktionen. Entsprechend handelt
es sich bei ME/CFS um eine neuroimmunologische Erkrankung, welche auch Auswirkungen
auf das psychische Befinden haben kann, keinesfalls jedoch um eine psychische oder psychiatrische Erkrankung.

Eine Beurteilung der Erkrankung müsste denn auch durch entsprechende Fachspezialisten für funktionelle Störungen, d.h. durch die Psychosomatik resp. Neuropsychosomatik, erfolgen.
Auslöser der Symptomatik sind Stressbelastungen mit entsprechend überschiessender Aktivierung
des Immunsystems, wie das beim Patienten der Magenoperation mit Implantat der Fall war.

Zentrales Element der Behandlung ist - wie in den vorherigen Berichten beschrieben - das Pacing,
die Anpassung der körperlichen, mentalen und sozialen Aktivitäten an die effektiven Möglichkeiten, deren Grenzen durch die Beschwerden gesetzt werden und die nicht nur respektiert, sondern unterschritten werden sollten.

Entsprechend ist der Verlauf bei XYZ typisch, indem der forcierte Wiedereinstieg in eine berufliche Tätigkeit zu einem erneuten Rückfall mit deutlich stärkerer Symptomatik und längerer Erholungszeit geführt hat.

Demnach müssten erneute Arbeitsversuche sehr niederschwellig und über einen langen Zeitraum
mit Steigerung nicht nach vorgegebenem Plan, sondern entsprechend den effektiven Möglichkeiten erfolgen. Mit konsequentem Pacing hat XYZ bisher die besten Erfahrungen gemacht, und wir können XYZ dabei nur unterstützen.

Abzusehen ist von aktivierenden Massnahmen (wie z.B. auch aktivierende Medikamente) oder Trainingstherapien, da diese als Stressoren wirken und damit das Beschwerdebild unterhalten und verstärken.

Zur Begleitung im Rahmen des Pacings werden wir XYZ wie geplant erneut in unserer Sprechstunde sehen.


Freundliche Grüsse
Dr. med. ABC
Dr. med. DEF


Kopie an: Patient XYZ
Wenn ich da richtig gezählt habe, sind das rund 400 Wörter inklusive 8 Wortbandwürmer; das macht einen Wortbandwurmanteil von 2%. Der Vorbescheid der IV hat also doppelt soviele schwerverständliche Wortbandwürmer wie der Arztbericht vom Inselspital!
12.  IV contra Medizin
Wie ich oben schon schrieb, ist der Vorbescheid der IV für mich ziemlich unverständlich. Ich habe schon Mühe mit dem Blabla, das auf den Untertitel „Abklärungsergebnis” folgt. Da wird nämlich zuerst langfädig beschrieben, wie und aufgrund welcher Kriterien die Friedas und Fritzlis von der IV einen Kandidaten einschätzen. Erst nach 200 Wörtern kommt dann endlich das eigentliche „Ergebnis” in Form einer „zwanghaften Persönlichkeitsstörung” und eines „nicht ausgewiesenen Leidensdrucks.”
Ich muss gestehen, dass ich auch im Bericht des Inselspitals vieles nicht verstehe. Es hat einfach zuviele Fachbegriffe! Immerhin lässt sich feststellen, dass die Diagnose am Anfang des Berichts steht und nicht vorgängig mit allerlei Blabla garniert wird.
Es ist aufschlussreich, Passagen im IV-Vorbescheid mit solchen im Bericht der Insel zu vergleichen.
Invalidenversicherung
Mangels eines Gesundheitsschadens mit invalidisierender Wirkung im Rechtssinne besteht kein Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung.



Die Tatsache, dass Sie noch nie in psychiatrischer Behandlung standen und keine entsprechenden Medikamente erhalten, spricht gegen einen ausgewiesenen Leidensdruck.




Sie nutzen nur Therapieoptionen, die Sie selbst als passend empfinden, nicht jene, die medizinisch indiziert wären.
Sie sind sozial eingebunden, unterhalten Kontakt zu Ihren Eltern und zwei Freunden. Sie machen in der Werkstatt Holzarbeiten. Zudem beschreiben die Gutachter einen athletischen Körperbau, was eine erhebliche Diskrepanz zu dem geschilderten Tagesablauf darstellt.


Sie verfügen über eine mehrjährige Berufsbildung, fahren Auto und werden von der Familie unterstützt. Gesamthaft sind dies genügend Ressourcen.





Inselspital
Diagnose:   Myalgische Encephalomyelitis /
chronic Fatigue Syndrom (ICD-10 G93.3)

Aufgrund der erfüllten klinischen Kriterien und der typischen Risikofaktoren kann die Symptomatik von XYZ im Rahmen einer myalgischen Encephalomyelitis / eines chronic Fatigue Syndroms (ME/CFS) zusammengefasst werden.
Chronische Stresseinwirkungen führen über eine Stimulation des Immunsystems zu neuro-physiologischen Veränderungen und entsprechenden Dysfunktionen. Entsprechend handelt es sich bei ME/CFS um eine neuroimmunologische Erkrankung, welche auch Auswirkungen auf das psychische Befinden haben kann, keinesfalls jedoch um eine psychische oder psychiatrische Erkrankung.
Zentrales Element der Behandlung ist - wie in den vorherigen Berichten beschrieben - das Pacing, die Anpassung der körperlichen, mentalen und sozialen Aktivitäten an die effektiven Möglichkeiten, deren Grenzen durch die Beschwerden gesetzt werden und die nicht nur respektiert, sondern unterschritten werden sollten.
Mit konsequentem Pacing hat XYZ bisher die besten Erfahrungen gemacht, und wir können XYZ dabei nur unterstützen.
Entsprechend ist der Verlauf bei XYZ typisch, indem der forcierte Wiedereinstieg in eine berufliche Tätigkeit zu einem erneuten Rückfall mit deutlich stärkerer Symptomatik und längerer Erholungszeit geführt hat.
Demnach müssten erneute Arbeitsversuche sehr niederschwellig und über einen langen Zeitraum
mit Steigerung nicht nach vorgegebenem Plan, sondern entsprechend den effektiven Möglichkeiten erfolgen.
Was sind eigentlich „medizinisch indizierte Therapieoptionen” ?
Die IV gibt keine Antwort; die Insel dagegen empfiehlt konsequentes Pacing.
„XYZ fährt Auto und macht Holzarbeiten.”
WAS beim Donnerwetter sollte denn XYZ den ganzen Tag machen? Wenn er schon mal eine „gute” Phase hat, sollte er da trotzdem in seiner Wohnung hocken und sein Schicksal bedauern? XYZ ist ein geschickter Hand-werker; so hat er den wunderschönen Esstisch in seiner Wohnung aus einer zufällig vorhandenen Holzplatte geschreinert.
Alexandra hat letzten Dezember eine Menge köstlicher Weihnachtsgüetzi gemacht. Den Teig stellte sie selber her, und die gebackenen Güetzi verzierte sie anschliessend noch. Der „Crash” wegen dieser Anstrengung folgte allerdings bald darauf.
„...dass Sie noch nie in psychiatrischer Behandlung standen...  ...spricht gegen einen ausgewiesenen Leidensdruck.”
Soll das ein Vorwurf sein? Was war zuerst, das Huhn oder das Ei? Was war zuerst, psychische Probleme oder ME/CFS? Wird XYZ zum Vorwurf gemacht, dass er noch nie einen Seelenklempner aufgesucht hat? Der hätte ihn von seinen vielfältigen Leiden auch nicht therapieren können.
„Sie sind sozial eingebunden...”
Haha. Die Frau von XYZ hatte zunehmend Mühe mit seiner Krankheit. Seit 2 Jahren sind sie geschieden.
13.  Die Sozialhilfe in der Schweiz
Wie lange ME/CFS-Patientinnen und -Patienten krank und arbeitsunfähig sind, steht im Moment in den Sternen. Schauen Sie sich noch einmal die Grafik an:
Februar 2024
14.  Long-Covid-Betroffene erheben schwere Vorwürfe gegen die IV
Seit ich im Januar 2023 Daten gesammelt und hier zusammengestellt habe, ist die Situation von meiner Tochter Alexxandra nicht besser geworden; weder gesundheitlich noch finanziell. Im Gegenteil! Alexandra hat bei der IV ein Rentengesuch eingereicht. Mittlerweile wurde sie dreimal «begutachtet». Zweimal von einer deutschen Ärztin, einmal von einer Schweizer Ärztin. Es blüht ihr noch eine vierte «Begutachtung»; die soll anfangs April von einem deutschen Arzt durchgeführt werden.

Die IV hat vermutlich Probleme mit ihren Giutachtern und Gutachterfirmen. Wie wäre es sonst zu erklären, dass so viele Gutachter und Gutachterinnen aus Deutschland beigezogen werden? Da passt der Beitrag vom Kassensturz nicht schlecht. Die Sendung wurde am 20. Februar 2924 ausgestrahlt.
Long Covid – IV-Unterstützung lässt auf sich warten
Überlange Verfahren, Unterstellungen von psychischen Krankheiten und Gutachten, die das Krankheitsbild nicht annähernd erfassen – so schildern Long Covid-Betroffene, Ärzte und Patientenanwälte ihre Erfahrungen mit der Invalidenversicherung...

Long-Covid-Betroffene werden von der Invalidenversicherung im Stich gelassen
Zu lange IV-Verfahren, keine Rücksicht auf die Krankheit bei der Begutachtung. Es ist ein Warten auf eine Rente, die die finanzielle Not lindern soll, sobald das Taggeld ausläuft.

Long Covid – IV-Unterstützung lässt auf sich warten
Long-Covid-Betroffene und ihre Familien werden von der Invalidenversicherung im Stich gelassen: zu lange IV-Verfahren und keine Rücksicht auf die tückische Krankheit bei der Begutachtung. Es ist ein angstvolles Warten auf eine Rente, die die finanzielle Not lindern soll, sobald das Taggeld ausläuft. Und Betroffene viel Kraft kostet.

IV-Chef Florian Steinbacher – Was läuft falsch?
Spärlich zugesprochene Renten, langwierige Verfahren: Nur etwa vier Prozent der Long-Covid-Betroffenen erhielten bisher eine Rente zugesprochen. Was bewirkt ein eingeleitetes Monitoring? Der Leiter IV des Bundesamts für Sozialversicherung, Florian Steinbacher, nimmt Stellung.

Long Covid – Wer bezahlt Medikamente und Therapie?
Medikamente und Therapien gegen Long Covid sind oft experimentell und nicht für die Behandlung zugelassen. Sie werden von den Krankenkassen meistens nicht übernommen. Für Betroffene heisst das: hohe Rechnungen – wie etwa für eine sogenannte «Blutwäsche» – selbst zahlen. Kommt es bald zu einem Leiturteil des Bundesgerichts?

Schauen Sie sich doch den Beitrag an, den der Kassensturz am 20. Februar 2024 ausstrahlte:
Es ist schon merkwürdig: Auf der offiziellen Website der AHV/IV lese ich Folgendes:
Was ist die IV?
«Die Schwester der AHV»

Die schweizerische Invalidenversicherung (IV) ist wie die AHV und die Krankenversicherung eine gesamtschweizerische obligatorische Versicherung. Ihr Ziel ist es, den Versicherten mit Eingliederungsmassnahmen oder Geldleistungen die Existenzgrundlage zu sichern, wenn sie invalid werden.
Das ist doch was, gell! Dem steht aber die Tatsache gegenüber, dass der Herr Steinbacher im Kassensturz-Video bei ca. 14:00 eindeutig sagt:
"Die IV hat eine Aufgabe, das ist Eingliedern - prioritär. Und wenn das nicht mehr geht und das abgeklärt wurde, dass diese Möglichkeit nicht mehr besteht, dann wird eine Rentenprüfung eingeleitet".
Ich verstehe die Aussagen des Herrn Steinbacher so: Die IV findet nach mehrjährigen Abklärungen heraus, dass der Antragsteller nicht eingegliedert werden kann. Anschliessend erhält er (der Antragsteller) nicht etwa eine IV-Rente, sondern die IV beginnt zum zweiten Mal Abklärungen unter dem Namen "Rentenprüfung". Diese dürften - da die Abklärungsprozesse bei der IV immer bedächtig durchgeführt werden - wieder mehrere Jahre dauern...

...und wenn der Antragsteller inzwischen nicht verstorben ist, erhält er dann nach mehreren Jahren endlich seine IV-Rente.

Vielleicht.
September 2024
15.  IV - Mutter kämpft für Elektrorollstuhl ihrer 12-jährigen Tochter
16.  System IV - Die unheimliche Macht der Gutachter