23. Orgelmusik im Gottesdienst
Es gibt Leute, die gehen zur Predigt ("z Predig", wie man in der Mundart sagt), um sich das Wort anzuhören. Für sie
beginnt der Gottesdienst, sobald die Pfarrperson zu sprechen beginnt, also nach dem Eingangsspiel. Andere Leute besuchen den Gottesdienst,
um sich Wort und Musik anzuhören. Für sie beginnt der Gottesdienst mit dem Eingangsspiel. Und dann gibt es gelegentlich
Leute, die hauptsächlich wegen der Musik einen Gottesdienst besuchen.
Es gibt halt schon einen Unterschied zwischen Musik und Wort: Die Musik erzeugt ohne Umwege Emotionen, oder berührt das Herz, wie Christenmenschen
so schön sagen. Das Wort hingegen geht zuerst immer ins Gehirn und - bei etwas Glück - dann auch ins Herz. Im Spannungsfeld zwischen Wort und
Musik befinden sich Organistin und Organist und versucht, es allen Recht zu machen, und auch die
an-der-Musik-nicht-so-interessierten Leute mit schöner und passender Orgelmusik zu berühren.
Das Eingangsspiel
Mit dem Eingangsspiel "holt man die Gemeinde ab" und stimmt sie auf den Gottesdienst ein. Ein Präludium, eine Fuge, eine Canzona, eine Fantasie,
ein Ricercare, vielleicht sogar eine Toccata sind geeignete Stücke zur Eröffnung des Gottesdienstes. Manchmal ist es empfehlenswert, das nachfolgende
gesungene erste Lied mit einem geeigneten Orgelchoral (oder einer Improvisation) der Gemeinde näher zu bringen, vor allem wenn dieses Lied
unbekannt ist oder eine schwierige Melodie hat.
Dann gibt es die "speziellen" Gottesdienste wie Konfirmationen, Trauungen und Abdankungen. Dort wird häufig - von der Trauerfamilie, vom Brautpaar,
von den Könfelern - ein bestimmtes Musikstück gewünscht. Dabei handelt es sich meistens um Musik ausserhalb der gängigen Orgelliteratur, beispielsweise
einen Popsong oder ein Jodellied oder eine Bearbeitung eines klassischen Stücks. We Are the Champions an Konfirmationen
oder Land ob de Wolke an einer Abdankung oder Star Wars - Main Theme an einer Trauung -
diese und viele weitere Musikwünsche wurden in den letzten Jahrzehnten an mich herangetragen.
Und auch wenn kein bestimmter Musikwunsch vorliegt - beispielsweise an
Konfirmationen - werden Organistin oder Organist trotzdem etwas "Eingängiges" aus Pop, Jazz oder Folklore wählen, um so auch Leute, die sonst nie
einen Gottesdienst besuchen, mit den Klängen der Orgel zu bezaubern.
Aber wir sind ja immer noch beim Thema "So klingt die Orgel", und da geht es ja weniger um die Wahl des Musikstücks oder -stils, sondern um den
Klang, also um die Registrierung. In der Regel wird man ein Eingangsspiel auf dem Hauptwerk spielen.
Die Registrierung wird bestimmt durch den Anlass, die Anzahl der Gottesdienstbesucher und auch durch das Kirchenjahr.
Principal 8' Oktav 4' im Hauptwerk dürfte für fast alle Eingangsspiele registriert werden. Man kann den Klang
mit dem Oktav 2' noch aufhellen und etwas "frecher" machen. Auch die Mixtur
dürte gelegentlich zum Zug kommen, vor allem, wenn das Stück fröhlich und quirlig tönt und es auch einige Leute in der Kirche hat. Das Pedal wird jeweils
angepasst. Bei einer Fuge wird man das Pedal möglichst "selbständig" mit Subbass 16' Principal 8' Oktav 4' (Mixtur)
registrieren, für den Orgelpunkt einer Toccata von Pachelbel reicht eine diskretere Registrierung mit nicht allzu starken Obertönen.
Wenn's zu schwach oder zu laut wird, kann man ja einige Register vom 2. Manual "ausleihen" und ans Hauptwerk oder Pedal koppeln.
Bei Konfirmationen darf man ziemlich viel "Gas geben" und die meisten Register vom 2. Manual
dazukoppeln, oder sogar die Trompete 8' vom Hauptwerk und das Fagott 16' vom Pedal
dazu nehmen. Wenn eine Taufe ist, dann registriere ich meistens ziemlich verhalten, um den armen Säugling nicht allzu sehr zu erschrecken. Und wenn das
Bébé trotzdem zu weinen anfängt, dann mache ich einen halbwegs passablen Schluss und beende das Stück vorzeitig.
Das - also das vorzeitige Beenden des Eingangsspiels - ist ohnehin immer zu empfehlen, wenn die Stimmung in der Gemeinde unruhig ist und eh niemand zuhört...
Der Gemeindegesang
Vor Jahren habe ich im "Schatzkästlein" einen Beitrag unter dem Titel
Lieder in der Kirche
verfasst. Klicken Sie bitte auf den Titel, dann können Sie ihn studieren. Ich habe das Lied "Sollt ich meinem Gott nicht singen" mit Intonation, vier
Strophen und kurzem Nachspiel aufgenommen. Dazu die Details:
Intonation
BH⇒ Schwellwerk:
Rohrflöte 8' Oktav 2'
Intonation
|
1. Strophe
BH⇒ Hauptwerk: Schwellwerk: Pedal: Koppeln
Principal 8' Oktav 4'
Rohrflöte 8' Oktav 4' Oktav 2'
Subbass 16' Principal 8' Oktav 4'
Sw/Hw Sw/Pedal
1. Strophe
|
2. Strophe
RH⇒ Hauptwerk: LH⇒ Schwellwerk: Pedal: Koppeln
Principal 8' Oktav 4' Oktav 2' Quinte 2²/₃' Terz 1¹/₃'
Rohrflöte 8' Oktav 4'
Subbass 16' Principal 8'
Sw/Hw Sw/Pedal
2. Strophe
|
3. Strophe
LH⇒ Hauptwerk: RH⇒ Schwellwerk: Pedal: Koppeln
Principal 8' Oktav 4' Trompete 8'
Rohrflöte 8' Oktav 4'
Subbass 16' Principal 8'
Sw/Hw Sw/Pedal
3. Strophe
|
4. Strophe
BH⇒ Hauptwerk: Schwellwerk: Pedal: Koppeln
Principal 8' Oktav 4' Oktav 2'
Rohrflöte 8' Oktav 4' Oktav 2' Scharf Oboe 8'
Principal 16' Subbass 16' Principal 8' Oktav 4'
Sw/Hw Sw/Pedal
4. Strophe
|
Nachspiel
BH⇒ Schwellwerk:
gleich wie 4. Strophe (Schweller zu)
Nachspiel
|
|
Wenn Sie mögen, können Sie sich das ganze Kunstwerk in toto anhören.
Sollt ich meinem Gott
nicht singen
Die Zwischenspiele
Eine leise, meditative Registrierung passt für viele Zwischenspiele. Allerdings muss man aufpassen, dass die Neben-geräusche der Orgel (Tastenklappern,
lauter Motor, Blasgeräusche) nicht allzu deutlich gehört werden. Beim Abendmahl tun es zwei, drei sanfte 8'- und 4'-Register.
Gerne ohne Pedal oder höchstens mit langsamen Pedaltönen, denn das Spielen mit den Füssen ist manchmal ziemlich anstrengend und lärmig.
Das Ausgangsspiel
Vor Jahrzehnten hatte ich eine halbe Stelle in einer grossen Berner Oberländer Gemeinde. Damals war der GD-Besuch immer beachtlich. Nicht so wie heute,
wo sich manchmal nur eine Handvoll Personen zum Gottesdienst versammeln. Dann, beim Ausgangsspiel, verliessen die Leute gutgelaunt die Kirche, lachten,
schwatzten und lärmten derarat, dass ich manchmal die Orgel fast nicht mehr hörte...
Das hat mich Folgendes gelehrt: Wenn die Leute sitzend zuhören, dann registriere ich das Ausgangsspiel ziemlich bis sehr
stark und kräftig und spiele meistens etwas Fröhliches-Aufstellendes. Aber wenn die Leute zur Kirche hinausgehen,
dann spiele ich zwar auch etwas Fröhliches, aber registriere nicht so laut und kräftig, denn sonst würde ich ja die mannigfachen Unterhaltungen
der Hinausgehenden über Gebühr stören...